«Gone Baby Gone» von Ben Affleck (Blu-ray)

Casey Affleck und Michelle Monaghan in «Gone Baby Gone»

Manche Filme sieht man sich besser nur einmal an. Andere Filme können hingegen bei einer zweiten Sichtung deutlich besser genossen werden. In letztere Kategorie fällt «Gone Baby Gone» von Ben Affleck. Im Kino ist mir vor allem störend aufgefallen, dass der komplexe Thriller in zwei ungleiche Hälften zerfällt. Bei erneuter Betrachtung hat das äusserst stimmungsvolle Charakterdrama seine Wirkung besser entfaltet.

Patrick Kenzie (Casey Affleck) und Angela Gennaro (Michelle Monaghan), privat wie beruflich ein Paar, verdienen ihren Lebensunterhalt als Privatdetektive in Boston. Als die 4-jährige Amanda im Arbeiterviertel Dorchester verschwindet, erklären sich Kenzie und Gennaro auf Drängen von Amandas Tante Beatrice McCready (Amy Madigan) eher zögerlich bereit, die Polizei bei der Suche zu unterstützen. Sie haben sich nämlich auf das Auffinden von vermissten Personen spezialisiert – allerdings hauptsächlich solche Personen, die wegen Schulden unauffindbar sind.

Amy Ryan in «Gone Baby Gone»Gemeinsam mit den Detectives Broussard (Ed Harris) und Poole (John Ashton) sucht das Duo nach dem Mädchen – zum Ärger von Police Chief Jack Doyle (Morgan Freeman), der von privaten Spürnasen nichts hält. Doch Kenzie kennt sich aus in Dorchesters Unterwelt, er weiss sich zu bewegen und besitzt beste Kontakte. Bald stösst er auf erste Spuren. Die führen zum lokalen Drogenbaron, für den Amandas süchtige Mutter Helene (Amy Ryan) immer wieder als Kurier arbeitete und die viel mehr weiss als sie zugeben will.

Die Schilderung dieser Szenerie im zwielichtigen und erbarmungswürdigen Viertel, in dem die beiden Privatdetektive leben und arbeiten, ist Affleck hervorragend gelungen. Auch die neckischen, oftmals auch verletztenden Sticheleien zwischen den Figuren sind köstlich, obschon sie das Drama gelegentlich beinahe zur Parodie eines Kriminalfilms verkommen lassen. Die Suche nach dem Mädchen ist allerdings eben nur das halbe Drama. Nach einer Stunde gilt der Fall als erledigt, die eigentlich Schuldfrage muss aber erst noch geklärt werden.

Drei moralische Dilemmas werden in dieser zweiten Hälfte exemplarisch untersucht. (Spoiler: in diesem Abschnitt verrate ich ein paar Handlungselemente.) Zuerst erschiesst Kenzie einen Kinderschänder und wird dafür von allen Seiten gelobt. Doch dieser Akt der Selbstjustiz zerfrisst ihn. Dann erfährt er, dass die Entführung von Amanda ein abgekartetes Spiel zwischen dem Bruder von Helene und der Polizei war, und muss sich entscheiden, ob er diese Korruption aufdecken will. Als er schliesslich das totgeglaubte Mädchen in der sorgsamen Obhut eines Ehepaares findet, stellt er sich die Frage, ob er sie zu ihrer verantwortungslosen Mutter zurückbringen soll.

Drei Fragen über die Gerechtigkeit stellt der Film also in der zweiten Hälfte. Das Werk bewegt sich relativ behäbig auf Antworten zu. Stattdessen rückt Affleck die Entwicklung der Figuren ins Zentrum. Auch sonst stellt er als Regisseur durchaus Talent unter Beweis. Die zwischen Elend und Stolz vibrierende Stimmung aus dem Arbeiterviertel fängt er gekonnt ein, und die Schauspieler weiss er wirkungsvoll einzusetzen. Einzig die von Michelle Monaghan gespielte Figur der Lebens- und Arbeitspartnerin bleibt in diesem durch starke Männer dominierten Universum leider völlig unterentwickelt.

«Gone Baby Gone»Auf der Blu-ray-Disc rundet ein Audiokommentar, zwei kurze Drehberichte und entfallene Szenen den positiven Eindruck ab. Auf der zusätzlichen Tonspur sprechen Affleck und sein Co-Drehbuchautor Aaron Stockard über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Romans von Dennis Lehane. Offenbar beinhaltet schon die Vorlage die eher ungelenke Struktur. so mussten sich Affleck und Stockard entscheiden, ob sie die Handlung für den Film umgestalten oder das Risiko der unbeholfen wirkenden Erzählform eingehen sollen. Auf der Hülle wird auch noch ein alternatives Ende angepriesen, das sich jedoch nur sehr geringfügig von der Filmfassung unterscheidet.

Die Blu-ray-Disc weiss durch die gelungene Bildqualität zu gefallen. Die dezenten Farbtöne wirken sowohl in den dunklen Innenszenen als auch im manchmal gleissenden Aussenlicht kräftig und lebensecht. Die Tonspur ist solide, aber nicht weiter auffällig.

Film: 4 Sterne
Bildqualität (Blu-ray): 6 Sterne
Tonqualität (Blu-ray): 5 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
4 Sterne

(Bilder: ©Disney)

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