Locarno 07: «Comme des voleurs» von Lionel Baier

Lionel Baier und Natacha Koutchoumov in «Comme des voleurs (à l'Est)»

[Erschienen am 4. August 2007, 11.24] Nachdem ich letztes Jahr in Locarno auf den erfrischenden Beitrag «La vraie vie est ailleurs» gestossen bin, durfte ich gestern in der Reihe «Appellations Suisse» ein weiteres Mal davon Kenntnis nehmen, dass das Filmschaffen in der Romandie lebendiger ist, als es die schwache Präsenz in den Deutschschweizer Kinos manchmal den Eindruck macht. Lionel Baier bediente sich für seine Lebenskomödie «Comme des voleurs (à l’Est)» seiner eigenen Familiengeschichte.

Die Hauptrolle spielt der Regisseur gleich selber, der Name der Figur: Lionel Baier. Nachdem er an Weihnachten von seinem Vater von den polnischen Ursprüngen der Familie erfährt, stellt Lionel seine Identität als Schweizer in Frage. Er bedrängt seine Eltern, um mehr über die Vergangenheit und seine Vorfahren zu erfahren und will unbedingt wissen, woher er stammt. In der Folge dreht sich in seinem Leben alles um Polen: Lionel lernt Polnisch, liest Bücher über Polen und bejubelt während der Fussball-WM die Tore der polnischen Nationalmannschaft.

Die Obsession führt so weit, dass er eine illegal anwesende Polin heiraten möchte. Als er das bei einem Familienpicknick seinen Eltern erzählt, brennen bei seiner Schwester (Natacha Koutchoumov) die Sicherungen durch. Lionel ist nämlich schwul und sein Verhalten findet sie abscheulich. Aus heiterem Himmel beschliesst die Schwester, ihren Bruder auf eine Reise zurück zu den Wurzeln nach Polen zu entführen.

Lionel Baier und Natacha Koutchoumov in «Comme des voleurs (à l'Est)»

Die Figur Lionel Baier im Film erklärt an einer Stelle, dass es sich bei einem Buch, das Lionel als Jugendlicher geschrieben habe, nicht um eine Autobiografie handelt, sondern um Autofiktion. Gleiches gilt auch für «Comme des voleurs (à l’Est)». Verschmitzt verbindet der Regisseur Elemente aus seinem Leben mit einem abstrusen Roadmovie und Passagen aus dem Roman «L’or» von Blaise Cendrars, einer Biografie über den Schweizer Goldsucher Johann August Sutter, der im 19. Jahrhundert in den Westen der USA aufgebrochen ist.

Das formal einfach gehaltene Werk von Baier überzeugt vor allem durch seine spontane Energie, die den Film unablässig vorantreibt, und den aus dem Leben gegriffenen Humor, mit dem Baier so manches Vorurteil bloss stellt oder auch bestätigt. In der Welschschweiz konnte die diebische Komödie gerade einmal 3115 Eintritte verbuchen. Bleibt zu hoffen, dass sich «Comme des voleurs (à l’Est)» dafür das Publikum im Osten des Landes erobert, wo bis jetzt allerdings noch kein Starttermin bekannt ist.

Fazit: «Comme des voleurs (à l’Est)» ist eine kurzweilige Reflektion über die Suche nach der eigenen Identität.

Bewertung: 5 Sterne

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