«District 9» von Neill Blomkamp

«District 9»

Don’t worry about the vest. It’ll be fine.

Werbung ist oftmals irreführend. Das trifft auch auf Trailer zu. Das erste Exemplar zu «District 9» versprach einen pseudo-dokumentarischen Science-Fiction-Film mit starker sozialkritischer Komponente. Wenn ich mir auch noch den zweiten Trailer angeschaut hätte, hätte ich erkennen können, dass der Film letztlich doch nur auf eine konventionelle Materialschlacht hinausläuft. Der Ansatz von «District 9» ist zwar reizvoll, die Umsetzung allerdings auf mehreren Ebenen miserabel.

Vor über 20 Jahren ist über Johannesburg ein Raumschiff mit Ausserirdischen notgelandet. Wieso? Das haben die Menschen in den 20 Jahren nicht entdecken können. Die unterernährten Ausserirdischen – von den Menschen wegen ihrem Aussehen abschätzig «Prawns» (Garnelen) genannt – wurden am Rand der Stadt in einem jämmerlichen Dorf aus Blechhütten untergebracht, dem sogenannten District 9. Die Kontrolle über die nicht-menschliche Spezies übt das private Unternehmen Multi-National United (MNU) aus. Als die Furcht vor den Prawns immer grösser wird, muss der Konzern die Umsiedelung der Ausserirdischen in die Wege leiten.

Der ziemlich inkompetente, mit der Tochter des Chefs verheiratete MNU-Agent Wikus van der Merwe (Sharlto Copley) darf das Kommando dieser Aktion übernehmen. Er muss auch die Ausserirdischen in District 9 über die Zwangsräumung informieren. Dabei wird er durch eine seltsame Flüssigkeit mit einem mysteriösen Virus infiziert, das seine DNA verändert. Plötzlich hat die MNU ein besonderes Interesse an ihrem Agenten. Durch seine Metamorphose könnte nämlich endlich das Geheimnis der fremden Waffen entschlüsselt werden. Will Wikus überleben, muss er ein gutes Versteck und neue Verbündete finden.

«District 9»

Im Grunde genommen ist der Ansatz ziemlich originell. Den Konflikt zwischen Ausserirdischen und Menschen als Apartheid-Drama zu schildern wäre womöglich ziemlich fruchtbar gewesen. Doch dieser Aspekt wird nur in der Einführung genutzt. Danach verwendet Regisseur Neill Blomkamp, der zusammen mit Terri Tatchell das Drehbuch geschrieben hat, zahlreiche Versatzsstücke aus anderen Science-Fiction-Filmen. Ein wenig «Starship Troopers», eine Prise «Men in Black» (der enthaltene Humor ist allerdings ein wenig hilflos) und eine Dosis «Independence Day», angereichert mit «The Fly». Die am Ende eingesetzte Ganzkörperrüstung erinnert wiederum an die gepanzerten Skelett-Waffen aus «Vexille», «Appleseed» oder «The Matrix Revolutions».

Das Zusammenklauen von fremden Elementen wäre nicht weiter schlimm. Erbärmlich ist aber vor allem die grausam unsinnige und inkonsequente Inszenierung. Wie in «[•REC]» oder «Cloverfield» wird die Handlung zunächst in der Form eines Dokumentarfilms geschildert, dem Zusammenschnitt von Videoaufnahmen der MNU-Einheiten sowie Zeugen- und Expertenaussagen. Die Filmemacher haben sich aber nicht auf diese Perspektive einschränken wollen und so folgen bald auch konventionelle Erzählszenen. Die elende Rüttelschüttelwackelkamera wird aber beibehalten und soll vermutlich den Eindruck von Realismus erzeugen.

Dieser Realitätsanspruch wird allerdings durch die vielen Klischees und Ungereimtheiten zerstört. In einer Szene entdeckt ein Ausserirdischer, dass die Menschen Experimente an seinen Artgenossen durchgeführt haben. Natürlich bleibt er sofort wie angegossen stehen, obschon er gerade von Soldaten beschossen wird – die ihn natürlich nicht treffen. Wenig später muss Wikus den Ausserirdischen mitten im Kugelhagel davon überzeugen, etwas zu machen. Während dem kurzen Gespräch fliegt plötzlich keine Kugel mehr durch die Gegend. Für einen Film mit realistischen Anspruch sind solche Fehler einfach katastrophal.

Doch Blomkamp benützt den dokumentarischen Ansatz sowieso hauptsächlich dazu, die Kamera mehrmals hinter einer Person zu platzieren, die kurz darauf durch einen Schuss zerstückelt wird und deren durch die Gegend fliegenden Körperteile die Kameralinse verschmieren. Das ist ein oder zwei Mal noch amüsant, mit der Zeit aber nur noch öde. Ich muss zugeben, dass ich durch die teils enthusiastischen Stimmen aus den USA höhere Ansprüche an diesen Film stellte (er wird sogar als Oscar-Anwärter gehandelt). Doch selbst mit geringeren Erwartungen wäre ich durch die lausige Inszenierung bestimmt enttäuscht geworden.

Fazit: «District 9» ist lediglich ein Trash-Film, der durch masslose Übertreibung sein Potenzial vergeudet.

Bewertung: 1 Stern

(Bilder: ©2009 Sony Pictures Releasing GmbH)

3 Kommentare to “«District 9» von Neill Blomkamp”

  1. Wender says:

    Der Film erhebt nicht den Anspruch realistisch zu sein sondern nutzt allenfalls Mittel wie Wackelkamera und Dergleichen um das fiktive Geschehen für den Zuschauer realistischer erscheinen zu lassen.

    Das der Film nicht als reine Sozialkritik initiiert wurde sondern immer noch ein Scifi Film mit kritischem Background sein sollte, wird deutlich wenn ihr euch die Interviews des Regisseurs bzw. der Produzenten durchlest bzw. über youtube anseht. Die Entscheidung aus dem Film kein Sozialdrama zu machen lag laut Regisseur darin begründet, dass es sich um sein Debütprodukt handelt und dieses in Hinblick auf die breite Masse lukrativer erscheint. Aus dem Projekt eine fiktiven Dokumentation zu entwickeln wäre sicherlich interessant gewesen, doch hätte dieses Konzept wahrscheinlich nicht lange an den Kinokassen überlebt. Im Prinzip wäre dies auch eine Wiederholung der Vorlage „Alive in Joburg“ (Kurzfilm) von Bomkamp selbst.

    @ Thomas

    Rassismus ist nicht allein auf Unwissenheit begründet, sondern auch oft Mittel zur Machtausübung gegenüber einer geringer gebildeten Bevölkerungsschicht.

    Die Kolonialmächte haben nach Einteilung der Karte auch nicht allein 2 Jahre in afrikanischen Ländern das Leben der einheimischen Ethnien bestimmt, ohne mehr über deren kulturelle Gepflogeheiten zu erfahren. Rassismus und Diskriminierung waren dennoch eine beständige Tatsache.
    Ich stimme dir hingegen zu, dass es nicht unwesentlich erscheint mit welcher Motivation die Fremdwesen ihren Zielort bestimmten. Blomkamp selbst war hier wohl anderer Ansicht.

    Einige Lücken in der Story sehe ich jedoch nicht als KO Kriterien an, da der Kern der Story für mich durchaus funktionierte. Ich nehme an eure scharfe Kritik hat mehr mit einer verschobenen Erwartungshaltung zu tun die eventuell durch Trailer, Spots bzw. Hyps entstand und im Film nicht bedient wurde.

  2. Thomas says:

    @Wender: Dem 1. Punkt widerspreche ich ganz klar. Zu Beginn erhebt der Film sehr wohl den Anspruch, realistisch zu sein. Es wird explizit die Perspektive eines Dokumentarfilms benutzt. Danach weicht Blomkamp davon ab, weil er sonst seine Geschichte nicht wie gewünscht erzählen könnte.

    Logisch. Rassismus beruht auch auf einer gewissen absichtlichen Ignoranz gegenüber der anderen Bevölkerungsgruppe. Insofern ist die Behandlung der Aliens realistisch. Im Film werden aber auch Menschenrechtler gezeigt, und dass es denen nicht gelungen ist, in den 20 Jahren mehr von den Absichten der Aliens zu erfahren, ist einfach nicht glaubwürdig.

    Mit der verschobenen Erwartungshaltung hast du zum Teil auch recht. Ich weise schon im ersten Abschnitt der Besprechung deutlich darauf hin, dass der erste Trailer eine falsche Erwartung erzeugt hat. Aber ich vermute, dass mir der Film auch sonst nicht sonderlich gefallen hätte. Vor allem in der zweiten Hälfte fällt er völlig auseinander. Die Inszenierung der Schlussballerei ist einfach sinnlos übertrieben. Und habe ich schon erwähnt, dass mich die Hauptfigur mit der Zeit grausam genervt hat? Mir hätte der Film womöglich gefallen können, wenn er kompakter, weniger ausufernd inszeniert worden wäre.

  3. GMU says:

    “Trash” trifft es perfekt. Aber von der übelsten Sorte.

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