«Space Tourists» von Christian Frei

Anousheh Ansari in «Space Tourists»

What goes up, eventually comes down.

Manche träumen von einer Reise zum Mars, andere sind schon mit einem Flug in die Erdumlaufbahn zufrieden. Voraussetzungen: Gute Gesundheit und die geringe Summe von 20 Millionen Dollar. Der Oscar-nominierte Regisseur Christian Frei heftet sich in seinem Dokumentarfilm «Space Tourists» an die Fersen von solchen Weltraumtouristen, wirft aber auch einen Blick auf die Bedingungen auf der Erde.

Der Weltraum lockt. Nicht nur Weltraumreisende, sondern auch Schweizer Dokumentarfilmer. Richard Dindo beschäftigt sich in «The Marsdreamers» mit den Anforderungen einer zukünftigen Reise zum Mars. Christian Frei («War Photographer») setzt sich in «Space Tourists» mit den bereits erfolgten Weltraumflügen von Privatpersonen auseinander. Eine seiner Hauptfiguren ist Anousheh Ansari, eine im Iran geborene Amerikanerin mit ausreichend Vermögen, um sich einen Flug zur Raumstation ISS zu gönnen. Sie spricht über ihre Motivation und stellt ihre Aufnahmen von ihrem kurzen Besuch in der Raumstation ISS zur Verfügung.

Eine weitere Hauptfigur ist der Magnum-Fotograf Jonas Bendiksen, der auf dem Boden bleibt und die Lebensbedingungen in den alten Sowjet-Republiken dokumentiert, auch im verlassen wirkenden ehemaligen Weltraumbahnhof Baikonur. Dort lebten früher 100’000 Menschen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Ortschaft aber geschrumpft, obschon immer noch regelmässig Raketen gestartet werden. Bendiksen macht sich Gedanken über die Entwicklung in der Gegend. Nach einer Weile wird auch noch der rumänische Ingenieur Dumitru Popescu vorgestellt, der sich an einem zunächst von Ansari und später von einer Internetsuchmaschine finanzierten Wettbewerb beteiligt, der den ersten erfolgreichen privaten und bemannten Raumflug belohnt.

Raketenschrott in «Space Tourists»

Wie schon «The Marsdreamers» lässt auch «Space Tourists» den Eindruck entstehen, dass Weltraumreisende in mehrfacher Hinsicht ein wenig abgehoben sind. Wenn Ansari anfängt Gandhi zu zitieren und über die aus dem Weltall betrachtet friedfertig aussehende Erde philosophiert (keine Grenzen, Frieden und Schönheit, keine Anzeichen von Konflikten), dann dreht sich nicht nur die Raumkapsel. Frei macht durch seine Montage auf diese der Wirklichkeit entrückten Vorstellungen aufmerksam.

Auf die Bemerkung von Ansari, dass sie es als ihre Mission versteht, dass alle Menschen, die von einem Weltraumflug träumen, den Wunsch auch verwirklichen können, folgen Bilder von den vermutlich ziemlich mittellosen Menschen in Kasachstan. «Space Tourists» lebt von solchen Kontrasten. Auf der einen Seite bereitet sich Ansari in freudiger Erwartung auf die Erfüllung ihres Traumes vor. Auf der anderen Seite streift Bendiksen durch die verfallenden Städte und Dörfer rund um Baikonur.

Frei wirft auch einen Blick auf die zweite Industrie, die durch die Weltraumreisen ermöglicht wird. Nach jedem Raketenstart warten die Schrotthändler auf die herunterfallenden Metallteile. Zuerst wird jeweils ein kugelrundes Teil geborgen, dass den Arbeitern während den Tagen, in denen sie die Schrottteile zerlegen, als Kochtopf für ihr Beschbarmak dient. Derweil lässt sich bereits der nächste Weltraumtourist, der Word- und Excel-Entwickler Charles Simonyi, von den Köchen in Baikonur verköstigen und stellt sich so seinen Speiseplan für die Reise zusammen. «Dekadent» ist das erste Wort, dass zu dieser Szene einfällt.

Weiter nördlich fallen die nächsten Raketenstufen in die dichter besiedelten Wälder des Altai. Die wenigen Bewohner wehren sich vergeblich dagegen, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Auch die umweltschädigenden Auswirkungen werden nicht berücksichtigt. An solche Nebensächlichkeiten verschwendet Ansari keine Gedanken. Vielmehr hat sie nicht nur 20 Millionen Dollar in ihren Flug investiert, ihre Familie stiftete auch noch den Ansari X-Prize, der durch die Entwicklung von kostengünstigen Transportmitteln den Weltraumtourismus fördern soll.

Schlussfolgerungen überlässt Frei dem Publikum. Er setzt in «Space Tourists» auf sorgfältig komponierte Einstellungen und teilweise bedächtige Beobachtungen. Die Gegensätze zwischen reich und arm lässt Frei zunächst in einem angenehmen Tempo aufeinander prallen. Die Kommentare überlässt er Ansari und Bendiksen. Als dann das Thema der Wettbewerbe für den privaten Weltraumtourimus angeschnitten wird, gerät der Rhythmus ein wenig aus dem Gleichgewicht. Ansonsten werden die Geschichten aber formal stilsicher vorangetrieben.

Fazit: «Space Tourists» ist eine einnehmende Auseinandersetzung mit diversen Aspekten der Weltraumindustrie.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: ©2009 Look Now!, Jonas Bendiksen)

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