«Tôt ou tard» von Jadwiga Kowalska

«Tôt ou tard» von Jadwiga Kowalska

Wo lernen in der Schweiz angehende Trickfilmkünstler ihr Handwerk? Viele eignen sich ihr Fähigkeiten an der Abteilung Animation der Hochschule Luzern (HSLU) an. Ihre Produktionen räumen national und international an Festivals ab. So habe ich im Frühling ein paar ehemalige Studentinnen der HSLU nach Lissabon begleitet, wo ihre Abschlussfilme am Trickfilmfestival Monstra gezeigt wurden. Mit Preisen überhäuft wurde auch Jadwiga Kowalska für «Tôt ou tard».

Sonne, Mond und Sterne verzieren das riesige Zahnrad, dass sich ächzend im Innern der Erde in Bewegung setzt. Weiter oben steht eine Eiche, auf und in der ein Eichhörnchen und eine Fledermaus leben. Das Eichhörnchen sammelt am Tag seine Nüsse, die Fledermaus jagt in der Nacht nach Mücken. Die verschiedenen Welten sind durch Tageszeiten voneinander getrennt. Das Räderwerk in der Unterwelt steuert Tag, Nacht und noch einiges mehr.

Doch eines Tages lässt das Eichhörnchen eine Nuss fallen, die im innern der Eiche in die Tiefe rollt und zwischen zwei Rädern eingeklemmt wird. Der geregelte Alltag gerät ins Stocken, Tag und Nacht sind zugleich. So treffen Eichhörnchen und Fledermaus aufeinander. Die beiden Einzelgänger machen sich auf eine gemeinsame Reise und entdecken die seltsamsten Auswirkungen der einzelnen Zahnräder auf ihre beschauliche Welt. Da stehen die beiden plötzlich Kopf und lösen eine Sintflut aus. Als der Schaden behoben ist, wird dem Eichhörnchen langweilig.

«Tôt ou tard» von Jadwiga Kowalska

Hat das sprichwörtliche Sandkorn im Getriebe für gewöhnlich unerwünschte Auswirkungen, erweist sich die Eichel im Räderwerk von «Tôt ou tard» als erfreulicher Auslöser einer ungewöhnlichen Freundschaft. Charmant, subtil und auch ein wenig hintersinnig schildert Jadwiga Kowalska die besondere Begegnung und ihre Folgen. Die einfühlsam erzählte Geschichte bietet viel Spielraum für Interpretationen, lässt sich aber auch als einfaches Abenteuer von zwei gegensätzlichen Figuren geniessen.

Für ihren Diplomfilm an der Hochschule Luzern verwendete Kowalska geschmeidige Legetechnik und dezente 2D-Computeranimation. Wie schon in Die «Erde ist rund» lässt sie behutsamen Humor einfliessen und entwickelt einen entspannten Rhythmus. Abgerundet wird das harmonisch inszenierte Werk durch die sehnsüchtige Klezmer-Musik von Louis Crelier, und die ausgefeilten Toneffekte von Alexander Miesch, Denis Séchaud, die es wunderbar rattern, surren, knarren und quietschen lassen.

Die vermutlich höchste Auszeichnung erhielt Jadwiga Kowalska im März 2009, als ihr für «Tôt ou tard» der Schweizer Filmpreis verliehen wurde. Aber auch an zahlreichen Festivals bewährte sich die bezaubernde Geschichte. Die Liste der Auszeichnungen ist beeindruckend lang. Neben Hauptpreisen an den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen und dem  Jeugfilm Festival in Antwerpen erhielt «Tôt ou tard» auch die Publikumspreise am Festival Animateka in Ljubljana, den Bremer Tierfilmtagen Camera Animale und den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich.

Bewertung: 6 Sterne

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