«Up in the Air» von Jason Reitman

George Clooney in «Up in the Air»

To know me is to fly with me. This is where I live.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Das wusste schon Reinhard Mey. Auch die Hauptfigur aus «Up in the Air» von Jason Reitman («Juno») schwebt gerne über den Wolken und verliert dadurch seinen Bezug zum Boden. Ryan Bingham (George Clooney) reist jedes Jahr über 300 Tage durch die USA, um Personen zu entlassen. Für dieses Leben hat er sich eine eigene Philosophie zurecht gelegt. In der exquisiten Tragikomödie wird sie von zwei Frauen auf die Probe gestellt.

Jeder Mensch trägt einen Rucksack durchs Leben. Je mehr Gegenstände wie Kleider, Fernseher, Häuser und Beziehungen sich in diesem Rucksack befinden, umso schwieriger können wir uns bewegen. Dieses Sinnbild verwendet Ray Bingham für seine Vorträge, die er vor vollen Sälen hält, wenn er nicht gerade für seine Firma die Drecksarbeit von anderen Firmen übernimmt und deren Belegschaft auf die Strasse stellt. Selbstverständlich für eine positivere Zukunft. Denn: Wer auch immer die Welt erobert hat, musste am gleichen Punkt beginnen. Diesen Spruch serviert Ray den Abservierten.

Bei dieser Lebenseinstellung überrascht es nicht weiter, dass Ray ein einsames Leben führt. Auf eine Gleichgesinnte trifft er in einer Hotelbar. Alex Goran (Vera Farmiga, «The Departed») reist ebenfalls kreuz und quer durch das Land und lässt sich gerne von den exklusiven Mitgliederkarten von Ray beeindrucken. Die Chemie zwischen den beiden stimmt und so tauschen sie ihre Terminkalender und Flugpläne aus. Wo auch immer sich ihre Wege kreuzen, treffen sie sich für ein paar vergnügte und ungebundene Stunden.

Doch wie Ray bei einem Zwischenhalt am Firmensitz in Omaha, Nebraska, erfahren muss, ist er ein Auslaufmodell. Die ambitionierte Studienabgängerin Natalie Keener (Anna Kendrick) hat ein System entwickelt, um die Entlassungen übers Internet per Videokonferenz abzuwickeln. Dadurch werden die enormen Spesen für die Flüge auf einen Schlag eingespart. Ray ist ziemlich konsterniert, kann aber immerhin erreichen, dass er noch eine Weile in der Luft bleiben darf. Begleitet wird er auf seinen letzten Reisen allerdings von Natalie, die Erfahrungen sammeln soll.

George Clooney und Vera Farmiga in «Up in the Air»

Wenn ein charmanter Kerl wie George Clooney die Theorie eines möglichst beziehungsfreien Lebens anpreist, dann hören sich sogar so bedeutungslose Sätze wie «The slower we move, the faster we die» relativ reizvoll an. Ein Moment! Je langsamer wir uns bewegen, umso schneller sterben wir? Das ist so ziemlich das Gegenteil der weitaus populäreren «Slow Living»-Bewegung. Ray muss sich jedoch schnell bewegen, damit er nicht merkt, wie einsam sein Leben wirklich ist. Da erstaunt es wenig, dass Ray einmal vorgeworfen wird, dass er in einem «Cocoon of self-banishment» lebt, sozusagen in einer Hülle der Selbst-Verbannung.

Andere Ratschläge von Ray hören sich hingegen ganz nützlich an. Vor der Sicherheitskontrolle an einem Flughafen erklärt Ray, dass man sich nie hinter Senioren, Familien oder arabisch aussehenden Menschen anstellen soll. Das sei rassistisch, meint die propere Natalie. Dem widerspricht Ray nicht wirklich: «I’m like my mother. I stereotype. It’s faster.» Er sei wie seine Mutter und ordne die Menschen nach Stereotypen ein. Das sei schneller. Durch das schnelle Leben kommt Ray immerhin seinem Ziel immer näher, als siebter Mensch bei American Airlines 10 Millionen Meilen zu sammeln.

Besonders die junge Natalie kann wenig Sinn hinter der Philosophie von Ray finden. Obschon auch ihre Lebenseinstellung einmal zerstört wird. Immerhin hat die Vielfliegerei von Ray einen grossen Vorteil: Er kann einen Auftrag von seiner älteren Schwester Kara (Amy Morton) ausführen. Seine jüngere Schwester Julie (Melanie Lynskey) wird bald ihren Verlobten Jim (Danny McBride) heiraten. Weil die Finanzen nicht für eine Hochzeitsreise ausreichen, hat sie sich Fotos von sich und Jim vor diversen Touristenattraktionen gewünscht. Jetzt muss Ray auch noch eine zu grosse Pappversion von Julie und Jim in seinem Gepäck verstauen.

Anna Kendrick und George Clooney in «Up in the Air»

Es wäre ziemlich einfach, diese Geschichte als simple Parodie zu erzählen. Doch durch das Charisma von Clooney und das vielschichtige Drehbuch von Jason Reitman und Sheldon Turner verkommt die Figur von Ray Bingham nie zur Karikatur. Durch die drei Hauptfiguren bilden vielmehr ein Gespann, das durch die gegenseitigen Reibungen zu fruchtbaren Einsichten findet. Die schauspielerischen Qualitäten von Clooney und Vera Farmiga sind hinlänglich bekannt. Eine eigentliche Entdeckung ist die junge Anna Kendrick, die aber schon in «New Moon» als beherzte Freundin von Bella als einziger wirklich positiver Aspekt aufgefallen ist.

Als verbindendes Element der ersten drei Filme von Regisseur Jason Reitman lässt sich erkennen, dass er ernsthafte Themen mit schrägem Blick humorvoll angeht. In «Up in the Air» steht zwar der beziehungslose Ray im Zentrum, doch sein Charakter erhält eigentlich erst durch seinen Beruf die notwendige Tiefe. Neben einigen bekannten Schauspielern wie J.K. Simmons («Burn After Reading») oder Zach Galifianakis («The Hangover») verwendete Reitman für die entlassenen Arbeiter hauptsächlich Personen, denen tatsächlich gekündigt worden ist. Durch diesen Einschub von (konstruierter) Realität erhält der Film ein zusätzliches, verunsicherndes Bestandteil.

Vorzüglich ist aber auch die Inszenierung. Kameramann Eric Steelberg («(500) Days of Summer», «Juno») findet immer wieder einfallsreiche und doch nicht übermässig aufdringliche Einstellungen. Für den virtuosen Schnitt kümmerte sich Dana E. Glauberman, die besonders in einer frühen Flughafenszene die Philosophie von Ray auf der Bildebene stilsicher veranschaulicht. Dieser elegante Tanz vor der Sicherheitskontrolle wurde von Komponist Rolfe Kent mit dem passend betitelten Stück «Security Ballet» unterlegt.

Fazit: «Up in the Air» ist eine treffsichere Tragikomödie mit brillanter Inszenierung, bissigen Dialogen und grandiosen Schauspielern.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: ©2009 DW Studios L.L.C., Cold Spring Pictures. All Rights Reserved.)

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