Diagonale 10: «Der Kameramörder» von R. A. Pejo

Andres Lust, Dorka Gryllus, Merab Ninidze und Ursina Lardi in «Der Kameramörder»

Ein richtiges kleines Paradies.

Wie ich auf der Fahrt nach Graz erfahren konnte, habe die Veröffentlichung des schockierenden Romans «Der Kameramörder» einen kleinen Skandal ausgelöst. Wie Autor Thomas Glavinic in einem Interview mit dem «Kurier» berichtete, wollten einige Buchhandlungen die reisserische Geschichte nicht ins Sortiment aufnehmen. In der Form einer Zeugenaussage beschreibt in «Der Kameramörder» ein Ich-Erzähler die Ereignisse eines Wochenendes, an dem zwei befreundete Paare in den Bann eines perversen Mörders gezogen werden. Da sich diese Form für einen Film nicht unbedingt eignet, wurde aus der Verfilmung durch Regisseur Robert Adrian Pejo ein intensives Kammerspiel, das ebenso zwiespältig ausgefallen ist wie die Vorlage.

Auf der ungarischen Seite des Neusiedlersees hat sich Thomas (Merab Ninidze) mitten im Schilf ein Designerhaus errichten lassen, wo er mit seiner neuen Freundin Sonja (Dorka Gryllus) wohnt. Für Ostern hat er seinen alten Kumpel Heinrich (Andreas Lust), ein leicht dem Alkohol verfallenen Zyniker, und dessen Frau Eva (Ursina Lardi) eingeladen. Schon in den ersten Stunden zeichnet sich ab, dass die alten Freundschaften nicht gerade unbelastet sind und Thomas und Eva offenbar mehr als nur eine langjährige Freundschaft verbindet. Der nonchalante Thomas flirtet ungeniert mit seiner ehemaligen Flamme, sehr zum Missfallen von Heinrich. Auch Sonja ist sich nicht mehr so sicher, ob sie ihren Freund wirklich kennt.

Zusätzlich für Unruhe sorgt die Nachricht, dass in der Gegend drei Knaben verschwunden sind. Heinrich erzählt, dass er im Internet ein Video gesehen hat, in dem ein Mann drei Knaben verfolgt. Thomas will es sich auch ansehen, doch der Server ist überlastet. Weil Heinrich gewisse Details verschweigt, sieht es bald einmal so aus, als ob er in die Sache verwickelt ist. Seinerseits beschuldigt er Thomas, dass er Eva und ihn nur eingeladen habe, um wieder einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Und je häufiger Thomas mit Eva verschwindet, umso misstrauischer wird Sonja. Zwischen Beziehungskrieg und Mordverdacht spitzt sich die Lage im idyllischen Haus immer mehr zu.

Das Haus in «Der Kameramörder»

Wer den Roman gelesen hat, wird die Geschichte im Film kaum wiedererkennen. Ausser der Ausgangslage mit dem Wochenende von zwei befreundeten Paaren und dem gefilmten brutalen Mord an Kindern haben die beiden Versionen von «Der Kameramörder» nicht viel gemeinsam. Konzentrierte sich Thomas Glavinic auf die zerstörerische Besessenheit der beiden Männer mit dem Mordfall und der Veröffentlichung des Videos, über das sie jede Minute informiert sein möchten, entspannt sich im Film ein Psychodrama über sexuelle Lust und Sucht. Der eigentliche Mordfall rückt in den Hintergrund. Anstatt der schonungslosen und höchst unbequemen Aufdeckung der medialen Abhängigkeit stehen die abgründigen Beziehungen der Figuren im Mittelpunkt. Eigentlich auch keine schlechte Ausgangslage.

Doch die Ausführung ist viel zu wenig subtil, als dass wirklich Spannung entstehen könnte. Die viel zu auffällige Verdachtslenkung ist bemüht. Wer so offensichtlich als Täter hingestellt wird, muss sich am Ende fast als unschuldig erweisen. Da hilft es auch nicht besonders, wenn im aufgesetzten Epilog noch einmal versucht wird, die Aufmerksamkeit auf die falsche Person zu lenken. Die eingestreute Eifersuchtsgeschichte ist ebenso übertrieben geschildert. Irgendwie stellt sich überhaupt die Frage, wieso sich die Filmemacher so weit von der Vorlage entfernt haben. Da ist der gemeinsame Titel fast schon irreführend, obschon durch die unterschiedliche, entgegengesetzte Behandlung des gleichen Themas durchaus auch ein Mehrwert hätte entstehen können.

Herausragend an der Produktion sind aber eigentlich nur die schauspielerischen Leistungen. Andreas Lust spielt den instabilen Zyniker beängstigend intensiv. Ebenso verunsichernd wird von Merab Ninidze der Gegenspieler verkörpert, berechnend und scheinbar stets beherrscht, aber unter der Oberfläche launenhaft. Zwischen verschiedenen Gemütszuständen schwankt auch die Figur von Ursina Lardi, deren laszive Art durch eine gefährliche Zerbrechlichkeit aufgeweicht wird. Das emotionale Zentrum des Films ist jedoch die von Dorka Gryllus verletzlich gespielte Sonja, die durch die hässlichen Spielchen aus dem zuvor so harmonischen, durch die idyllische Landschaft versinnbildlichten Gleichgewicht gebracht wird. Inhaltlich kann der «Der Kameramörder» nicht wirklich überzeugen, bietet aber eine hervorragend Bühne für die begeisternden Schauspieler.

Bewertung: 3 Sterne

(Bild: © 2010 Lotus-Film)

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