Diagonale 10: «Die Büchse der Pandora» von Papst

Fritz Kortner und Louise Brooks in «Die Büchse der Pandora»

Totschlagen musst du mich, wenn du von mir loskommen willst.

Frauen sind der Ursprung allen Übels. Das wussten schon die alten Griechen und erfanden die Figur der Pandora. Die von Hephaistos als Teil der Strafe für die Menschheit erschaffene Frau überbrachte den Menschen eine Büchse, durch deren Öffnen alles Schlechte über die Welt hereinbrach. Darunter leiden die Männer heute noch und machen deshalb Filme wie «Die Büchse der Pandora», in denen am Ende der verführerischen Frau die gerechte Strafe erteilt wird. Die tragikomische Romanze von Georg Wilhelm Pabst ist ein etwas zweifelhafter Klassiker des deutschen Stummfilms. Zur Ehrung von Kameramann Günther Krampf wurde sie von Synema an der Diagonale 2010 gezeigt.

Das unwiderstehliche Showgirl Lulu (Louise Brooks) ist die Verkörperung der Pandora. Sie ist bestürzt, als ihr Liebhaber Dr. Schön (Fritz Kortner), ein reicher Zeitungsbesitzer, ihr mitteilt, dass er sie nicht mehr sehen kann, weil er demnächst eine Tochter aus gutem Hause heiraten wird. Aus dem Weg gehen sie sich dennoch nicht, denn Lulu tritt in einer Revue auf, für die Alwa Schön (Franz Lederer), der Sohn von Dr. Schön, die Musik komponiert hat. Hinter der Bühne kommt es zum Eklat, als Dr. Schön mit seiner Verlobten (Daisy D’Ora) auftaucht und Lulu sich weigert, aufzutreten. Die Überredungsversuche von Dr. Schön führen einzig dazu, dass er von seinem Sohn, der ebenso in Lulu verliebt ist wie die Kostümdesignerin Gräfin Geschwitz (Alice Roberts), und seiner zukünftigen Braut in einer komprimittierenden Situation erwischt wird.

Nun steht einer Hochzeit von Lulu und Dr. Schön nichts mehr im Wege. Wie es aber die Weise des Weibes ist, lässt sie sich immer wieder in verfängerischen Situationen erwischen. Dr. Schön ist ausser sich vor Wut, als er die undurchschaubaren Schigolch (Carl Goetz) und Rodrigo Quast (Krafft-Raschig) im Brautzimmer vorfindet. Als dann auch noch sein Sohn den Kopf in den Schoss seiner Braut legt, bedroht er sie mit einer Pistole. Doch der Schuss geht nach hinten los. Das Gericht lässt sich von Lulus Reizen nicht bezirzen und verurteilt sie zu einer Gefängnisstrafe. Sie kann jedoch mit Alwa, Schigolch, Quast und Geschwitz fliehen, landet aber lediglich auf einem seltsamen Schiff irgendwo in Frankreich. Schliesslich gelangt sie nach London, wo sie an Jack the Ripper (Gustav Diessl) gerät.

Franz Lederer in «Die Büchse der Pandora»

Also, aufgepasst, liebe weibliche Gäste dieses Blogs: Wer schamlos Männer verführt, wird früher oder später einen grausamen Tod sterben! Der Inhalt von «Die Büchse der Pandora» kann wahrlich nicht der Grund sein, weshalb der Stummfilm als Klassiker gilt. Der beinhaltet zwar auch noch einige amüsante Humoreinlagen, ist ansonsten aber ziemlich betrüblich moralistisch. Die Warnung vor den grazilen und anmutigen Wesen ist derart übertrieben, dass sie eigentlich schon zur Zeit der Entstehung des Films kaum Ernst genommen werden konnte. Auch erzählerisch ist die Handlung nicht über alle Zweifel erhaben, setzt doch Regisseur Georg Wilhelm Pabst dem Publikum etliche gewagte Sprünge in der Logik vor.

Bleiben also die formalen Aspekte. An die expressionistische Kraft eines Fritz Arno Wagner («M», «Das Testament des Dr. Mabuse»), Karl Freund («Metropolis») oder Walter Ruttmann («Berlin – Die Sinfonie der Grosstadt») kommt Günther Krampf mit seinem Einsatz der Kamera nicht wirklich heran. Dennoch strahlen immer wieder prächtige Aufnahmen durch, geradezu buchstäblich, wenn funkelnde Augen sowie glitzernde Messer und Knöpfe ins Bild gerückt werden. Auch die vernebelten Nachtaufnahmen in London sind sehr stimmungsvoll gelungen und erinnern ein wenig an die impressionistischen London-Gemälde von Claude Monet.

Zwei Besonderheiten der Vorführung an der Diagonale: Verwendet wurde eine Kopie mit italienischen Zwischentiteln, die live übersetzt wurden. Die Vorführung erfolgte vielleicht aus diesem Grund ohne Begleitmusik, wodurch der emotionale Eindruck vermutlich ein wenig verfälscht wurde.

Bewertung: 3 Sterne

Schreib einen Kommentar

You must be logged in to post a comment.