Diagonale 10: «Mein Kampf» von Urs Odermatt

Tom Schilling und Götz George in «Mein Kampf»

Schau nicht in den Abgrund, sonst schaut der Abgrund zurück.

Wie wird ein Mann zu einem Monster? Diese Frage behandelte George Tabori im Theaterstück «Mein Kampf», in dem er den jungen Adolf Hitler durch Wien irren lässt. An der Akademie der bildenden Künste möchte Hitler studieren. Doch er landet lediglich in einem Armenhaus, wo ihm ein hilfsbereiter Jude den Weg in seine Zukunft weist. Die Verfilmung von Regisseur Urs Odermatt ist ein wenig steif ausgefallen, ist aber durch das Thema leider immer noch von unverminderter Aktualität.

Im Zentrum steht der schlaue Jude Schlomo Herzl (Götz George), der auf der Strasse Bibeln oder bei Bedarf Schundliteratur verkauft und in einem schäbigen Männerasyl in der Wiener Blutgasse übernachtet. Gesellschaft leistet ihm hauptsächlich der Klarinetten-Spieler Lobkowitz (Bernd Birkhahn), der sich als Gott ausgibt und immer eine kluge Bemerkung bereit hat. Aber auch das hübsche Gretchen (Anna Unterberger) ist begeistert von Herzl und vor allem von seinen Geschichten. Wenn Herzl nicht gerade Bücher verkauft oder Gretchen im Gegenzug für ein wenig Entkleidung Geschichten erzählt, dann arbeitet er an seiner Biografie «Mein Kampf».

Da taucht eines Tages der junge, arrogante und häufig aufbrausende Zeichner Adolf Hitler (Tom Schilling) in der Unterkunft auf. Er hat sich bei der Akademie der bildenden Künste auf ein Stipendium beworben. In Schlomo Herzl findet der junge Zeichner von Anfang an Unterstützung, obschon er seine Abneigung der Juden keineswegs verheimlicht. Von der Kunstakademie erhält Hitler nicht so viel Zuneigung, die Aufnahme wird ihm verweigert. Herzl schlägt dem verzweifelten Künstler vor, dass er sich doch der Politik zuwenden soll. An der Gestik und Rhetorik müsse er noch feilen, aber wie die Frauen liessen sich die Massen auch gerne verführen. Das passende Aussehen hat Herzl dem angehenden Diktator durch eine Kürzung seines Schnauzes bereits verpasst.

Tom Schilling und Anna Unterberger in «Mein Kampf»

«Mein Kampf» ist keineswegs eine leichtfüssige Hitler-Satire, die sich einfach ein wenig über den untalentierten Versager Hitler amüsiert. Die Zukunft lastet so schwer auf dieser Geschichte, dass das Lachen in den meisten witzigen Szenen im Hals stecken bleibt. Auch dramaturgisch bietet der Film – durchaus einleuchtend – keine entlösenden Fluchtwege. Hitler ist von Anfang an ein unausstehlicher Mensch. Würde er zunächst als anständiger Junge gezeigt werden, der erst durch die Umstände zu einem abscheulichen Menschen wird, böte dies die Möglichkeit, Mitleid mit ihm zu empfinden. Das ist aber ganz bestimmt nicht beabsichtigt. Hitler ist unverbesserlich. Das Umfeld begünstigt zwar die Entwicklung zum Massenmörder, die Veranlagung ist aber bereits in der Person vorhanden.

Durch die unzimperlich psychopathische Darstellung von Hitler wird die ihm durch Herzl entgegengebrachte Grossherzigkeit immer unangenehmer. Die späteren Ereignisse lasten eben nicht nur auf der Geschichte, sondern auch auf den Figuren, die unbewusst immer falsche Entscheidungen treffen. Egal wieviel Herzlichkeit Hitler erfährt, von seiner Überzeugung lässt er sich nicht abbringen. Dadurch ist «Mein Kampf» ein wenig wie ein Schlag ins Gesicht, die ernüchternde und niederschlagende Interpretation eines unheilvollen Schicksals. Die Unausweichlichkeit der späteren Ereignisse ist unbequem und schwer verdaubar. Eine Stärke des Films ist sicherlich, dass er vor dieser abweisenden Schroffheit nicht zurückscheut.

Urs Odermatt hat «Mein Kampf» solide, aber auch ein wenig altmodisch inszeniert. Da er die Schauspieler für gewöhnlich wie auf der Bühne sprechen lässt, entsteht manchmal ein leicht nervöser und verkrampfter Eindruck. Auch Schnitt und Einstellungen tragen zu einer leicht gehetzten, ein wenig nachlässigen Wirkung bei, als ob die Dissonanz der Handlung auch auf die formale Ebene übertragen wurde. Eindrücklich ist dafür die stimmungsvolle, authentische Ausstattung.

Bewertung: 4 Sterne

(Bild: © Schiwago Film)

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