«Kundun» von Martin Scorsese (Blu-ray)

«Kundun»

They have taken away our silence.

Das einzige Anliegen, für das sich Regisseur Martin Scorsese («GoodFellas», «The Departed») nach eigenen Angaben wirklich einsetzt, ist die Erhaltung des filmischen Erbes. Es waren daher nicht politische Überlegungen, die ihn dazu bewegt haben, «Kundun» zu verfilmen, eine Biografie des 14. Dalai Lama bis zu dessen Flucht aus Tibet. Scorsese war vielmehr von der Spiritualität dieser Person und der Kraft ihres Mitgefühls fasziniert. Dennoch ist das mitreissende Meisterwerk nicht nur ein bewegendes Porträt des jungen 14. Dalai Lama, sondern auch ein starkes Plädoyer für die Unabhängigkeit von Tibet.

1937 wird in einem kleinem Dorf nahe der Grenze zu China der zweijährige Tenzin Gyatso entdeckt und als 14. Inkarnation des Dalai Lama, des religiösen und politischen Führers von Tibet, erkannt. Zwei Jahre später wird er nach Lhasa transportiert, wo er im Potala Palast formell als 14. Dalai Lama anerkannt wird und seine geistliche und weltliche Ausbildung beginnt. Bevor er jedoch seine Ausbildung abschliessen kann, dringen die Truppen des kommunistischen China im Osten Tibets ein, unter ft.com dem Vorwand, die Bevölkerung von der Unterdrückung durch imperialistische Einflüsse zu befreien.

Im Angesicht dieser Krise beschliesst das tibetische Kabinett dem 16-jährigen Dalai Lama zwei Jahre früher als üblich die Verantwortung der Regierung zu übertragen. Die langwierigen Verhandlungen die der Dalai Lama mit Mao Zedong und den chinesischen Generälen führt, erweisen sich jedoch bald als aussichtslos. Die Rückschläge, die der Dalai Lama in den Gesprächen einstecken muss, können ihn aber nicht von seiner Überzeugung einer friedlichen Lösung des Problems abbringen. Als sich die Lage weiter zuspitzt, entschliesst er sich 1959 schliesslich dennoch dazu, aus Lhasa zu fliehen, und seinen Kampf für ein freies Tibet im Ausland fortzusetzen.

«Kundun»

«Kundun» ist trotz des für Scorsese eher ungewöhnlichen Themas unverkennbar ein Scorsese-Film. Obschon der Inhalt von zentraler Bedeutung ist, erweist sich «Kundun» durch das eindringliche Drehbuch von Melissa Mathison, die überwältigende Kameraarbeit von Roger Deakins («No Country for Old Men», «The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford») und die grandiose, majestätische Musik von Philip Glass als betörendes Kunstwerk. Mehrere Szenen bleiben unauslöschlich in der Erinnerung haften, wie etwa die Aufnahme von einer Vision des Dalai Lama, in der sich die Kamera langsam von ihm entfernt und ihn inmitten von toten Mönchen zeigt. So schrecklich dieses Bild ist, so voller Schönheit sind andere visuelle Eindrücke.

Die Geschichte folgt der Autobiografie des Dalai Lamas («My Land and My People»), die Mathison aufgrund enger Kontakte mit Seiner Heiligkeit um viele Details und seine Träume bereichern konnte. Besondere Aufmerksamkeit wird auf die Wechselwirkung zwischen Religion und Politik gelegt und wie der Dalai Lama ein waches Bewusstsein für seine Umgebung entwickelte. Sein Alltag mag nach der Invasion durch die chinesische Armee zwar von aussen bestimmt sein, doch seine Ansichten ändern sich dadurch nicht. Wie er einem chinesischen General in einer Szene erklärt, führen nur Weisheit und Mitgefühl zur Befreiung: «You cannot liberate me, General Tang. I can only liberate myself.»

Die Blu-ray-Disc bietet die eindrücklichen Aufnahmen in nahezu perfekter Bildqualität. Einzig die dunklen Bildstellen weisen ein leichtes Rauschen auf, und auch die diversen Rottöne der Bekleidung flimmern ab und zu leicht. Als Bonusmaterial ist auf der Blu-ray-Disc der umfassende Drehbericht «In Search of Kundun with Martin Scorsese» (87 Minuten) von Michael Henry Wilson enthalten. Durch die vielen Eindrücke von den Dreharbeiten, ist auch die Arbeitsweise von Scorsese zu erkennen, der die Herausforderungen der Filmproduktion teilweise mit verschmitztem Humor, teilweise mit lockerer Frustration bewältigt. Zwischendurch plaudert er dabei mit den Darstellern auch über seinen Auftritt in «Taxi Driver» und die Improvisation mit Robert De Niro.

Bewertung: 6 Sterne
Bild-/qualität (Blu-ray): 5 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
4 Sterne

(Bilder: © Kinowelt Home Entertainment)

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