«Skyfall» von Sam Mendes

How much do you know about fear?

Wir leben in unsicheren Zeiten. Terroristische Anschläge erschütterten in diesem Jahrtausend bereits New York, Madrid, London, Moskau und zahlreiche weitere Städte. Ausreichend Grund, um in ständiger Angst zu leben. Da ist es doch eigentlich beruhigend, dass MI6, CIA und andere Geheimdienste für unsere Sicherheit den Kampf gegen Terrororganisationen führen. Oder sind die Geheimdienste etwa selber teil des Problems, wie in «Skyfall» suggeriert wird? James Bond und seine Vorgesetzte M werden darin von ihrer Vergangenheit eingeholt. Sehr zur Freude von 007-Nostalgikern.

Der Ärger unter eingefleischten 007-Fans war riesig, als die Produzenten mit «Casino Royale» und «Quantum of Solace» der Tradition von geschüttelten Martinis und trickreichen Erfindungen den Rücken kehrten. In Konkurrenz zu modernen Actionfilmen sahen die Bond-Missionen plötzlich wie ein Abenteuer von Jason Bourne aus. Doch nun kehrt Bond in «Skyfall» zum eigenen Mythos zurück. Aston Martin, Q und einige andere vertraute Elemente tauchen im 23. offiziellen Bond wieder auf. Doch alles der Reihe nach.

Schon gleich bei der ersten Verfolgungsjagd zum Auftakt in Istanbul stellt sich die Frage, ob «Skyfall» womöglich der kürzeste Bond aller Zeiten wird. Denn als James Bond (Daniel Craig, «The Girl with the Dragon Tattoo») sich mit seinem Widersacher auf dem Dach eines fahrenden Zuges prügelt, gerät er in das Fadenkreuz der ihn unterstützenden MI6-Agentin Eve (Naomie Harris). Die informiert zwar ihre Vorgesetzte M (Judi Dench), dass sie keinen klaren Schuss hat. Doch der Befehl zurück ist klar: Abdrücken! So fällt Bond von der Kugel getroffen vom Zug und landet in tiefem Wasser. Zeit für die Titelsequenz mit dem Lied von Adele.

Natürlich überlebt Bond den Sturz und macht sich später ein wenig angeschlagen und ziemlich zerknirscht auf den Weg nach London, wo er in die Hintergründe der Aktion eingeweiht wird. Eine Liste wurde gestohlen, auf der die Identitäten von allen NATO-Agenten enthalten sind, die in terroristische Organisationen eingeschleust sind. Bevor die Liste entschlüsselt werden kann, muss sie wieder sicher gestellt werden. Bond reist in der Folge nach Shanghai und Macao. Doch wie sich bald herausstellt, steckt noch viel mehr hinter der Sache. Ein ehemaliger MI6-Agent (Javier Bardem, «No Country for Old Men», «Vicky Cristina Barcelona») will sich an M rächen, weil sie ihn verraten. In London und Schottland findet der Endkampf statt.

Unscharf und dunkel ist die erste Einstellung von «Skyfall». Aus den Schatten taucht eine Gestalt auf, kurz ist das Gesicht von James Bond zu erkennen. Dann verschwindet er wieder. Es ist ein Hauptmotiv von diesem Abenteuer von 007. Im Schatten agieren die Agenten, und es ist für gewöhnlich schwer zu erkennen, wer nun auf welcher Seite steht. Dabei ist man selbst als Agent vor seinen eigenen Vorgesetzten sicher, die für ein Geheimnis und einen guten Tausch schon einmal das Leben der eigenen Mitarbeiter aufs Spiel setzen.

Gleichzeitig wird in «skyfall» gezeigt, dass sich die Geheimdienste gegenüber den Politikern verantworten müssen, die ganz andere Ansprüche stellen. Da fühlt sich M auf der Anklagebank schon einmal dazu gezwungen, aus dem Gedicht «Ulysses» von Alfred Tennyson zu zitieren: «We are not now that strength which in old days/Moved earth and heaven, that which we are, we are;/One equal temper of heroic hearts,/Made weak by time and fate, but strong in will/To strive, to seek, to find, and not to yield.» Die Schlusszeilen des heroischen Gedichts dienen mit ihrem resoluten Aufruf als Plädoyer für die schmutzige Arbeit des Geheimdiensts. Denn die Fronten im Kampf gegen Terrorismus sind nicht so klar wie im Krieg zwischen Nationen. Da sind unkonventionelle Methoden angeblich unabdingbar.

Über diese Haltung lässt sich natürlich heftig diskutieren. Wobei «Skyfall» sicherlich nicht als politische Manifest, sondern in erster Linie als spannende Unterhaltung dienen soll. Aber die politische Aussage ist nun einmal vorhanden. Viel wichtiger in «skyfall» ist jedoch die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit der Serie. Die Produzenten kamen ins Kreuzfeuer, weil sich Bond in den letzten beiden Abenteuern zu stark von seinen Vorgängern entfernte und nicht mehr wirklich als 007 erkennbar war. Das haben die Drehbuchautoren Neal Purvis & Robert Wade («Die Another Day», «The World It Not Enough», «Casino Royale», «Quantum of Solace») und John Logan («Gladiator», «Rango») nun ganz klar revidiert.

Irgendwie hat sich aber tatsächlich die Frage gestellt, ob ein Dinosaurier wie James Bond überhaupt noch in einem zeitgenössischen Film Platz hat. Zu kitschig und lächerlich sind einige der früheren Episoden und manche waren geradezu unverschämt in ihrer Verachtung für Frauen. «Skyfall» beweist nun, dass 007 doch noch nicht ganz verstaubt ist und sich die bekannten Elemente problemlos in eine moderne Handlung einbauen lassen, selbstverständlich immer mit einem Augenzwinkern. Als Bond von Q ausgerüstet wird, sitzen sie in der National Gallery vor dem Gemälde «The Fighting Temeraire tugged to her last Berth to be broken up, 1938» von William Turner. Ein altes, ehrwürdiges Kriegsschiff wird von einem kleinen modernen Dampfer abgeschleppt, um in seine Einzelteile zerlegt zu werden.

Wieso brauche es überhaupt noch Agenten, wenn heute alles mit einem Mausklick erledigt werden kann, erkundigt sich Bond bei Q. «Every now and then a trigger has to be pulled», antwortet Q trocken. Dann erhält Bond von Q noch eine durch Fingerabdruck aktivierte Walther PPK und einen im Gegensatz zu einigen Ortungsgeräten aus frühren Bond-Filmen fast schon vorsintflutlich anmutenden Peilsender erhält. Q meint dazu nur ironisch: «Where you expecting an exploding pen?» Diese Zeiten seien längst vorbei, meint Q. Doch die Vergangenheit lässt sich eben nicht so einfach abstreifen und so fährt Bond schliesslich auch noch mit einem Aston Martin durch die Gegend und spielt neckisch mit dem roten Knopf, als die Mitfahrerin kritische Bemerkungen macht. Wohin sie fahren, möchte sie wissen. «Back in time», erklärt Bond.

Die Unausweichbarkeit der Zeit ist somit neben den düsteren Abgründen der Geheimdienstarbeit das zweite Hauptmotiv von «Skyfall». Regisseur Sam Mendes («Revolutionary Road») hat diese faszinierende, meisterhaft zwischen Vergangenheit und Moderne verhandelnde Handlung mit viel Schwung und verlockender Eleganz inszeniert. Der einzige Schwachpunkt ist das eigenartige Ungleichgewicht zwischen Geheimdienst und Bösewicht, der sein Ziel mit mehr Aufwand verfolgt, als eigentlich notwendig ist. Doch dieses angesicht der scheinbaren  Verwundbarkeit des Helden seltsam erscheinende unüberwindbare Machtgefälle ist eben auch eine Eigenheit von praktisch allen Bond-Filmen. Insofern lässt sich daran nicht wirklich viel aussetzen. Die Produzenten von «Skyfall» haben allemal dafür gesorgt, dass ein erfolgreicher Dialog zwischen Tradition und Erneuerung entsteht und «Skyfall» dadurch zu den besten Produktionen der Serie gehört. So gibt es in dieser unsicheren Welt zumindest eine beruhigende Gewissheit: «Bond will return.»

Fazit: In «Skyfall» lässt sich James Bond von der Vergangenheit einholen und stellt dadurch eindrücklich seine Zeitlosigkeit unter Beweis.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © 2012 Sony Pictures Releasing GmbH)

Ein Kommentar to “«Skyfall» von Sam Mendes”

  1. juliaL49 says:

    Herrlich! Wirklich eine Revidierung und alleine die Anfangssequenz ist ein Kinobesuch wert. Ich hatte gestern Glück, da ich die allerletzte Karte bekommen habe 🙂

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