«Traumfrau» von Oliver Schwarz

Es geht einfach ums Gefühl.

Die Liebe treibt manchmal eher seltsame Blüten. Wie etwa im Fall von Dirk und seiner Jenny. Oliver Schwarz porträtiert diese ungewöhnliche Beziehung in seinem berührend intimen Dokumentarfilm «Traumfrau».

Morgens liegt sie neben Dirk im Bett. Wenn er am Tisch sein Abendessen einnimmt, sitzt sie neben ihm. Auch die Badewanne teilt sie manchmal mit ihm. Doch so normal sich das harmonische Leben von Dirk und seiner Jenny anhört, so ungewöhnlich ist diese Partnerschaft. Die dunkelhaarige Schönheit, mit der Dirk seine Wohnung teilt, ist nämlich aus Silikon. Eigentlich völlig leblos. Doch wenn Dirk von dieser Beziehung zu berichten beginnt, dann sind plötzlich von beiden Seiten Emotionen im Spiel.

Regisseur Oliver Schwarz dokumentiert diese auf den ersten Blick eigenartige Beziehung in ruhigen Bildern, die nur allmählich die Besonderheit enthüllen. Zunächst sind von der Traumfrau nur Details zu erkennen. Dann ist zu sehen, wie Dirk seine Traumfrau aus Kunststoff zärtlich mit Puder pflegt, mit ihr kuschelnd vor dem Fernseher sitzt oder sie sorgsam einkleidet. Auf der Tonspur ertönen derweil die Überlegungen von Dirk, der sich sehr wohl bewusst ist, dass seine Liebe zu Jenny nicht gerade alltäglich ist und die Möglichkeiten mit ihr beschränkt sind.

Die Stimmen im Kopf erzeugen jedoch Gefühle, denen er sich nicht entziehen kann. Der Mann im mittleren Alter reflektiert trotzdem ganz realistisch seine Position im Leben, und er beschreibt, wie die Frau aus Silikon für ihn eine Rettung aus der Depression war. Dabei zeigt er sich zwischendurch selbst erstaunt: «Das Faszinierende ist halt immer wieder, was ich nicht für möglich gehalten hab, dass ein Körper, der sich nicht bewegt, das alles auslösen kann.»

Obschon Oliver Schwarz den beiden Protagonisten seines Dokumentarfilms für gewöhnlich sehr nahe kommt, gelingt es ihm dennoch, eine respektvolle Distanz zu wahren und niemals auf voyeuristische Weise in das Leben einzudringen. Da Dirk seine Situation selbst kommentiert, lässt der Filmemacher das Publikum vielmehr an den aufwühlenden Emotionen teilhaben, während er durch die behutsame Inszenierung für eine delikate Balance zwischen Enthüllung und Diskretion sorgt.

So eigenartig die Beziehung erscheinen mag, am Ende handelt «Traumfrau» von mehr als von einem Mann und seiner Puppe. Der kurze Dokumentarfilm ist durch die Selbstverständlichkeit, mit der Schwarz die Situation beschreibt, ein Plädoyer für verschiedene Arten der Liebe. An den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur wurde das einfühlsame Werk mit dem Preis für den besten Schweizer Schulfilm ausgezeichnet. Ausserdem wurde er an den Solothurner Filmtagen gezeigt und in den Kurzfilmwettbewerb «Berlinale Shorts» aufgenommen.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: Hochschule Luzern)

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