«The Imitation Game» von Morten Tyldum

Sometimes it is the people no one imagines anything of who do the things that no one can imagine.

Er hat einen Code geknackt, ein Gesetz hat ihn geknackt. So lässt sich beschämend lapidar das Leben des Mathematik-Genies Alan Turing zusammenfassen, der während des Zweiten Weltkriegs entscheidend an der Entschlüssung des Enigma-Verschlüsselung beteiligt war. Danach arbeitete er an der Entwicklung von Computern und mathematischen Problemen der theoretischen Biologie, bevor er 1952 wegen einer homosexuellen Beziehung zu einer «Therapie» mit Hormonen verurteilt wurde, die wenig später zu seinem Tod führte. Im ambitionierten Drama «The Imitation Game» sollen drei Episoden aus dem Leben von Turing ein Einblick in sein Schicksal gewähren.

Zentral ist in «The Imitation Game» selbstverständlich die Phase, in der Turing im Dienst des britischen Geheimdienstes an der Entschlüsselung der deutschen Geheimbotschaften während des Zweiten Weltkriegs mitarbeitete. Alan Turing (Benedict Cumberbatch) wird als arrogantes Genie dargestellt, dass von seinen eigenen Fähigkeiten wirklich ausserordentlich überzeugt ist, dadurch aber umso mehr Mühe hat, sich in das Team einzugliedern. Seine Eigenschaft, alle Äusserungen sehr buchstäblich zu verstehen, deutet darauf hin, dass der Mathematiker vom Asperger-Syndrom betroffen ist. Seine übermässige Intelligenz hilft ihm zwar, aussergewöhnliche Probleme zu lösen, im Alltag kann er aber die gesellschaftlichen Normen nicht einordnen und erkennen. So ist er zwar davon überzeugt, dass er Enigma entschlüsseln kann, stösst aber bei seinen Kollegen und seinen Vorgesetzten auf Widerstand.

Zwei weitere Episoden befassen sich explizit mit der Homosexualität von Turing. Rückblenden in die Kindheit beleuchten die Beziehung zum einzigen Schulkameraden, von dem er trotz seiner Eigenartigkeit akzeptiert wird. Christopher zeigt Verständnis und weiht Turing in die Geheimnisse der Verschlüsselung der Sprache ein. Daneben wird auf die letzte Phase im Leben von Turing vorausgeschaut. Durch einen Einbruch wird die Polizei auf das Verhalten des Mathematikers aufmerksam. So wird schliesslich die homosexuelle Beziehung entdeckt, die zur Verurteilung von Turing führt. Anstelle einer Gefängnisstrafe wählt Turing eine medikamentöse Behandlung mit dem Hormon Östrogen, die zur chemischen Kastration führen soll. Die genauen Folgen werden in «The Imitation Game» nur angedeutet und erst in einer abschliessenden, schockierenden Texttafel enthüllt.

Insgesamt bleibt sehr vieles in «The Imitation Game» im Verborgenen. Der Film wird in der Form eines Mystery-Dramas erzählt. Die polizeilichen Ermittlungen dienen als Aufhänger für die Nachforschungen in das Leben von Alan Turing. Dadurch wird vermutlich versucht, ein vielschichtiges Bild von Turing zu entwerfen und gleichzeitig ein Spannungsbogen aufzubauen. Wieso diese Erzählmethode gewählt wurde, erschliesst sich jedoch nicht wirklich. Der Biografie von Turing mangelt es wahrlich nicht an faszinierenden Aspekten. Daher lenken die erzählerischen Tricks von Drehbuchautor Graham Moore eher von der Materie ab. Er konzentriert sich auf die Darstellung der Besessenheit des Mathematikers, verzichtet dabei – vermutlich aus Rücksicht auf die vorausgesetzte Ungebildetheit des Publikums – auf die Erklärung der wissenschaftlichen Vorgänge. Dadurch wird aber weder die Figur noch das Thema wirklich nachvollziehbar erklärt.

Dabei wird in «The Imitation Game» auch viel Abstraktionsvermögen verlangt: Turing wird als völliger Aussenseiter gezeichnet, der die Abneigung seiner Kollegen und seines direkten Vorgesetzten beinahe schon provoziert. Als er sich völlig ins Abseits manövriert hat, genügt dann aber ein Brief an Winston Churchill und im nächsten Augenblick wird Turing zum Vorgesetzten der Abteilung und erhält die benötigten Mittel für die Entwicklung eines Dechiffriermaschine. Möglicherweise entspricht diese unglaubliche Wendung tatsächlich der Realität, doch im Rahmen der filmischen Erzählung lässt sie sich schlicht nicht erklären und führt wie manches weitere Handlungselement zu Konsternation über die Manipulation der Filmemacher. Ein weiteres Beispiel: Endlich wurde eine Nachricht entschlüsselt und die Vernichtung eines Schiffskonvois durch deutsche U-Boote könnte verhindert werden. Doch dann würden die Deutschen möglicherweise die Entschlüsselung erkennen und einen neuen Code entwickeln. Daher wird auf die Weitergabe der Nachricht verzichtet. Doch, ach wie dramatisch, ausgerechnet auf einem der Schiffe in Gefahr befindet sich der Bruder eines der Wissenschaftler! Ist die Schwere einer solchen Entscheidung über die Verwendung von Informationen durch einen derart künstlichen Eingriff wirklich derart viel einfacher vermittelbar?

Obschon «The Imitation Game» den möglichen Kern seines Themas, die Faszination der Figur Alan Turing und seiner Begabung, nur sehr mangelhaft aufarbeitet, lässt sich das Werk dennoch stellenweise geniessen. Die Filmemacher setzen auf eine schwungvolle Inszenierung mit der üblichen britischen Präzision eines Geschichtsdramas. Dabei ist «The Imitation Game» primär als eine Plattform für die virtuose Schauspielkunst von Benedict Cumberbatch angelegt. Nur kann er durch die Fokussierung auf die zornigen Ausbrüche des Mathematikers seine Vielseitigkeit gar nicht so grandios ausleben, wie ihm das eigentlich möglich wäre. Und so wird er durch den Darsteller überflügelt, der seine Figur als Jugendlichen verkörpert: Alex Lawther zerbricht beinahe an der inneren Spannung, als ihm eine erschütternde (ebenfalls sehr manipulative) Nachricht überbracht wird.

Fazit: «The Imitation Game» versucht eine trickreiche Annäherung an eine aussergewöhnliche Persönlichkeit und scheitert dabei auf seltsam genussvolle Weise.

Bewertung: 2 Sterne

(Bilder: © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.)

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