«Facing Mecca» von Jan-Eric Mack

Du, itz isch zersch mal Wuchenänd.

Rezensionen von Filmen mit politischem Inhalt sind immer eine Gratwanderung. Kann das Werk getrennt von seinem politischen Inhalt einzig auf seinen künstlerischen Wert und ohne Offenlegung der eigenen Ansichten beurteilt werden? Möglich ist es, aber auch ein wenig langweilig. Ein gutes Beispiel dafür ist der kurze Spielfilm «Facing Mecca» von Jan-Eric Mack, in dem die Engstirnigkeit der Schweizer Bürokratie aufs Korn genommen wird. Schauplatz ist der fiktive Ort Amrikon, eine beliebige kleine Gemeinde in der Schweiz.

Dort steht am Rand der Wohnsiedlungen eine leicht verlotterte Baracke, in der eine Familie aus Syrien untergebracht ist, die in der Schweiz einen Antrag auf Asyl gestellt hat. Vor der Baracke steht knapp ein Dutzend alter Kühlschränke, welche die «fürsorglichen» Bewohner der Gemeinde der fremden Familie zur Verfügung gestellt haben. Auch Roli (Peter Freiburghaus) lädt gerade seinen Kühlschrank ab, da erfährt er, dass die Frau des Asylbewerbers im Spital im Sterben liegt. Der Tod stellt die Familie, die Gemeinde und Roli vor ein unlösbares Problem. Der Syrer Fareed (Jay Abdo) möchte seine Frau in der Schweiz beerdigen lassen, wenn möglich innert 24 Stunden, und das Grab muss Richtung Mekka ausgerichtet sein. Doch der Gemeindevorsteher Künzli (Nicolas Rosat) erklärt Roli, dass jetzt erst einmal Wochenende sei.

Leben in der Fremde ist schon schwierig genug. Sterben ist noch viel problematischer, wie Regisseur Jan-Eric Mack («Wandelzeit – Eine Gletscherperformance»), der in seinen Werken immer wieder aktuelle politische Themen und ihre Auswirkungen auf den Alltag aufnimmt, in seinem einfühlsamen Drama «Facing Mecca» zeigt. Hier treffen fremde Kulturen und Erwartungen aufeinander, wie das in einer Welt voller Krieg und Entwurzelung alltäglich geworden ist. Doch in Amrikon soll die Welt noch friedlich sein. Die Bürokratie sorgt dafür, dass selbst unerwartete Todesfälle nichts daran ändern. Ein diagonales Grab lässt sich zwar bewilligen, aber nach 25 Jahren muss es aufgehoben werden. Das kommt für den Mann aus Syrien nicht in Frage, denn sonst kann er seiner Frau im Jenseits nicht mehr begegnen. Viel einfacher wäre es für die Gemeinde sowieso, wenn das Problem ausgeflogen würde.

Mack konzentriert sich in «Facing Mecca» voll auf seine beiden Hauptfiguren, die auf eine Lösung eines für sie unverständlichen Problems hinarbeiten und dabei versuchen, die gegensätzlichen Sichtweisen zu verstehen. Er setzt dabei auf eine nachdenkliche Inszenierung, die auch durch einige eindrucksvolle Bilder besticht. Wie schwierig die Kommunikation und wie gross das Machtgefälle manchmal sein kann, zeigt Mack exemplarisch in einer meisterhaften Szene auf dem Gemeindeamt, wo Roli und Künzli durch eine Glassscheibe mit Gegensprechanlage getrennt voneinander sind. Flehend erklärt Roli das Dilemma der syrischen Familie. Dadurch lässt sich Künzli derart verärgern, dass er vergisst, den Knopf des Mikrofons zu drücken. Roli kann daher kein Wort hören; verstehen würde er die Argumente von Künzli sowieso nicht. Die beiden Männer trennt in dieser Konfrontation mehr als nur eine Glassscheibe.

Mack verzichtet darauf, eine explizite politische Botschaft oder Forderung in seinen Film zu packen. Er zeigt lediglich auf, wie das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen zu anspruchsvollen Konflikten führen kann, die sich manchmal nicht einfach beseitigen lassen. Soll man nun menschlich handeln oder einen heiklen Präzedenzfall vermeiden? Am Ende ermöglicht ein Trick eine für die meisten Parteien halbwegs befriedigende Lösung. Dabei ist klar, dass dieser Ansatz letztlich das Problem nur verschiebt. Inhaltlich bietet «Facing Mecca» eine Grundlage für kontroverse Diskussionen, in denen man politisch Stellung beziehen und möglicherweise auch die eigenen Standpunkte überdenken kann. Erzählerisch und formal ist das Werk bis ins letzte Detail gelungen und wurde mehr als verdient mit dem Student Academy Award ausgezeichnet.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: © Dschoint Ventschr Filmproduktion AG. All Rights Reserved.)

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