«Circuit» von Delia Hess

Kreisrund sind die roten Früchte, die in einem Feld an grünen Sträuchern wachsen. Krähen picken an ihnen, bis sie auf den Boden fallen. Eine Frau sammelt sie ein. Auf einer Anhöhe stehen zwei Wasserspeicher, die ab und zu von Regen gefüllt werden. Wenn zwei Frauen darin ihre Kreise schwimmen, werden die Sträucher auf dem Feld bewässert und die Krähen fliegen zu einem nahen Mangrovenwald. Dort sitzt ein alter Mann auf einer kleinen Insel und sucht einen Stein, den er in seiner Hand drehen lässt. Daneben verfolgen sich zwei Radfahrer, als ob sie ihre Weltkugel in Schwung halten müssten. Ein bärtiger Mann setzt in ein Glasgefäss einen Kern, aus dem ein Fisch wird.

Delia Hess bebildert in ihrem kurzen Animationsfilm «Circuit» ein eigenes Universum, in dem sich die Abläufe stetig wiederholen. Die einzelnen Elemente scheinen gegenseitig auf diese Repetition angewiesen zu sein. In betörenden Wasserfarbenzeichnungen wird der Kreislauf des Lebens in dieser Welt erzählt. Poetisch-magisch verwandeln sich die Bestandteile – die Bewegung der rotierenden Kettenräder der Velos gehen über in eine rote Frucht, aus dem kreisenden, Farben sprühenden Stein werden die Kettenräder der Fahrräder und daraus wiederum der Stein. Alles dreht sich in «Circuit». Und als hätte Hess den trockenen Hitzesommer 2018 antizipiert, dreht sich in «Circuit» auch alles um das wertvolle Wasser, das den Kreislauf in dieser Welt am Leben erhält.

Die fliessenden Übergänge zwischen den einzelnen Szenen hat Hess bereits in «Frühzug» (2012) eingesetzt, ihrem Abschlussfilm des Studiums an der Hochschule Luzern. In «Frühzug» schwebt eine Frau in einem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit, in dem sich Gegenstände ineinander verwandeln. Angetrieben von Geräuschen aus der Realität taucht sie in unterbewusste Welten ab. Ähnlich dominant setzt Hess die Tonkulisse auch in «Circuit» ein. Bestimmend sind reale Geräusche, die lediglich zwischendurch von sanfter Musik ergänzt werden: das Surren der Kettenräder, das Zischen der Wassersprenger, das durch den bärtigen Mann verursachte Singen des Glasgefässes, das Klappern des Reihers. Dazwischen kreischen die Krähen und das Wasser gurgelt vor sich hin. Die Bilder werden im Hintergrund von einem rasanten Ticken begleitet, das die Zerbrechlichkeit und die Dringlichkeit der einzelnen Handlungen zu signalisieren scheint.

Raffiniert variiert Hess die sich wiederholende Abfolge der Motive und das Tempo. Momente von hypnotisierender Beschaulichkeit wechseln sich ab mit der gedrängten Arbeitsamkeit der Wassersprenger, der Schwimmerinnen und insbesondere der Radfahrer, die so schnell durchs Bild rasen, dass die Farben verwischen. Entstanden ist ein Werk voller filigraner Eleganz.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © 2018 Cinéma Copain ltd.)

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