«X-Men Origins: Wolverine» von Gavin Hood

Hugh Jackman in «X-Men Origins: Wolverine»

Über manche Filme liesse sich auch wunderbar ausgiebig berichten, ohne dass man sie gesehen hat. «X-Men Origins: Wolverine» ist ganz klar so ein Film. Der tauchte zum Beispiel als angeblich erster Blockbuster schon vor dem Kinostart im Internet auf. Gemäss Angaben des Studios als Arbeitskopie mit unfertigen visuellen Effekten. Allem Anschein nach wurde diese Kopie auch an der Pressevorführung gezeigt.

Bevor den Journalisten der aber überhaupt Film vorgeführt wurde, musste ein Teil von ihnen ein Embargo unterschreiben. Betroffen waren lediglich diejenigen, die im Internet schreiben. Nicht vor Montag, 27. April, darf die Besprechung oder auch jedwelche private Meinungsäusserung zum Film auf irgendeiner «digitalen Plattform» erscheinen. Den Zusatz habe ich erst bemerkt, nachdem ich den Eintrag von Thomas Groh zum Thema Maulkorb gelesen hatte. Zum Glück hatte ich in der Zwischenzeit keine SMS verschickt.

Der eifrige Versuch von Twentieth Century Fox, die öffentliche Meinung über «X-Men Origins: Wolverine» zu steuern, und die Tatsache, dass der Film der Presse sehr kurz vor Kinostart gezeigt wurde, liess die Vermutung aufkommen, dass es sich ganz bestimmt nicht um ein Meisterwerk handelt. Zwar trifft das von Journalisten verbreitete Gerücht, dass es sich bei nur spät oder gar nicht gezeigten Filme um Schund handelt, nicht immer zu. In diesem Fall aber schon.

Für das Drehbuch wurde eine faszinierende Kombination von Autoren gewählt. Einerseits wird David Benioff erwähnt, dessen Roman «25th Hour» von Spike Lee in einen meisterhaften Film verwandelt wurde. Anschliessend zeichnete sich Benioff für die vielfältigen und durchaus komplexen Drehbücher von «Troy», «Stay» und «The Kite Runner» verantwortlich. Andererseits arbeitete jedoch auch Skip Woods am Drehbuch von «X-Men Origins: Wolverine». Er verfasste die Vorlagen zu den schrecklichen Filmen «Hitman» und «Swordfish». Da die Handlung fast schon eine Zumutung ist, schätze ich einmal, dass sie hauptsächlich von Woods stammt.

Der Auftakt ist schon einmal ziemlich konfus. 1845 ermordet ein junger Logan den Mann, der Logans vermeintlichen Vater erschossen hat. Der von Logan mit seinen Krallen aufgespiesste Mann kann aber gerade noch verraten, dass er der wirkliche Vater von Logan sei. Das ist doch ein wunderbarer Auftakt, der sich schon fast ein wenig nach griechischer Tragödie anhört. Gab es da nicht einmal einen Ödi-irgendwas, der seinen Vater ermordete? Wie dem auch sei. Logan und sein älterer Bruder Victor flüchten. Wieso auch immer.

Gemeinsam kämpfen sich die tödlichen Brüder, die offensichtlich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr altern, durch sämtliche Kriege der USA. Obschon sie zuvor auf dem späteren Staatsgebiet von Kanada lebten. Aber die Kanadier haben eben nicht so viele Kriege geführt wie die nach Glück strebenden südlichen Nachbarn. So beteiligen sich Logan (Hugh Jackman, «The Fountain») und Victor (Liev Schreiber) am Bürgerkrieg, den beiden Weltkriegen und Vietnam. Zunächst beteiligen sie sich vermutlich aus Überzeugung an diesen Kriegen, doch als Victor immer blutrünstiger wird, schreitet Logan gegen ihn ein.

Da beim Kampf von Logan und Victor ein Offizier getötet wird, sollen sie hingerichtet werden. Doch die Kugeln aus den Gewehren kitzeln nur. Da wird William Stryker (Danny Huston) auf sie aufmerksam. Er hat einen Sondertrupp aus Mutanten für besondere Einsätze zusammengestellt. In der Folge lässt sich wieder die gleiche Entwicklung erkennen, die schliesslich dazu führt, dass Logan den Dienst quittiert. Jahre später führt er als Holzfäller ein friedliches Leben mit der Lehrerin Kayla (Lynn Collins). Doch da taucht Stryker wieder auf. Und Kayla wird von Victor getötet.

Was danach folgt, ist aus etlichen Rückblenden in der «X-Men»-Trilogie bekannt. Logan wird durch ein Experiment zu einem unzerstörbaren Wesen, dessen Knochen aus Adamantium bestehen. Handlung ist also schon zu diesem Zeitpunkt reichlich vorhanden. Auch Kämpfe gibt es reichlich zu betrachten. Bewundern wäre die falsche Bezeichnung, denn visuelle Effekte werden zwar massenhaft eingesetzt, aber nur in beschränkter Qualität. Besonders im Finale haben sich die Tricktechniker eindeutig übernommen. Tiefpunkt ist dann jedoch der Auftritt eines digital verjüngten Schauspielers aus der «X-Men»-Trilogie. Der muss hier leider erwähnt werden, weil er einfach schrecklich aussieht.

Bezüglich der Schlägereien stellt sich aber sowieso die Frage, wie spannend es sein soll, wenn der unzerstörbare Logan gegen den noch unzerstörbareren Deadpool (Ryan Reynolds) antritt. Wer am Schluss siegreich sein wird, steht sowieso schon fest. Durch die Konzentration auf das technisch wenig überzeugende Spektakel kommt aber vor allem die Entwicklung der Figuren zu kurz. Während «The Dark Knight», in gewissem Sinne auch «Iron Man» und zuletzt vor allem «Watchmen» das Genre der Comic-Verfilmung weiterentwickelt haben, bleibt «X-Men Origins: Wolverine» in stumpfsinniger Action stecken.

Eine charakter-Szene ist aber doch noch erwähnenswert. Kayla erzählt eine Indianer-Fabel von der Göttin Luna und ihrem Geliebten. Der wird von einem neidischen Gott, der auf Luna eine Auge geworfen hat, aus dem Reich der Sagenwesen auf die Erde verbannt. Dort heult er nun verzweifelt Luna an. Wer nun welche Figur ist, wird absichtlich nicht eindeutig erklärt. Es ist aber eigentlich klar, dass Logan, der Wolverine, nicht der Heuler sein kann. Die wilden Vielfrasse heulen den Mond nämlich nicht an. Oder haben da die Drehbuchautoren einfach die Tierarten verwechselt? Wolverine hört sich ja zumindest ähnlich wie Wolf an.

Höchstens mittelmässig ist auch die Besetzung. Die meisten Schauspieler gefallen mir zwar für gewöhnlich, aber in diesem Film werden sie arg wirkungslos eingesetzt. Das lässt sich besonders schön an Ryan Reynolds illustrieren, der in Komödien sein Talent wunderbar zur Entfaltung bringt. Als Mutant wirkt er jedoch trotz oder vielleicht gerade wegen den antrainierten Muskeln irgendwie fehlplatziert. Am Schluss wird ihm auch noch der Mund zugenäht. Wäre ihm diese durchschlagende Waffe zur Verfügung gestanden, hätte er Logan vermutlich sogar besiegt…

Fazit: «X-Men Origins: Wolverine» ist eine jämmerliche Comic-Verfilmung, die der «X-Men»-Trilogie in keiner Weise gerecht wird und einzig wegen Hugh Jackman mehr als einen Stern verdient.

Bewertung: 2 Sterne

(Foto: ©2009 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved.)

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