Locarno 07: «Dutti der Riese» von Martin Witz

«Dutti der Riese» von Martin Witz

[Erschienen am 7. August 2007, 20.30] In der neuen Sektion «Ici et ailleurs» ist auch ein Schweizer Film vertreten. «Dutti der Riese» ist angeblich der erste Dokumentarfilm über Gottlieb Duttweiler, den Gründer der Migros. Wenn das tatsächlich so ist, dann war es höchste Zeit. Gezeigt wurde das Werk als Weltpremiere am diesjährigen Journée du Cinéma Suisse. Da wohl jeder Schweizer ein Experte zum Thema Migros ist, drängten sich die Massen am späten Nachmittag ins Kino La Sala.

Regisseur Martin Witz, der bisher als Drehbuchautor, Cutter und Tonmann (Bezeichnung von Witz selber) tätig war, zeichnet in seinem Kinodebüt das Porträt einer widersprüchlichen Persönlichkeit, welcher die Schweizer Gesellschaft gespalten hat: Aus Gesinnung ein Demokrat – im Temperament ein Diktator, ist Duttweiler Visionär und kühl rechnender Realist in einem. In jungen Jahren Kriegsprofiteur, wird er später zum Humanisten und zum Botschafter des Gemeinschaftsgedankens sowie zum überzeugten Europäer.

«Dutti der Riese» von Martin Witz

In bislang unveröffentlichten Dokumenten wird von Duttweilers Leben und seiner Karriere erzählt, die er 1925 mit der Gründung der Migros und einem bahnbrechenden Verkaufskonzept einläutete. Er verbirgt nicht seine Skepsis gegenüber der zeitgenössischen Gesellschaft und spricht mit der Offenheit eines Mannes, der sowohl Erfolge, aber auch Enttäuschungen erlebt hat.

Was für eine Revolution bei ihrer Einführung die Selbstbedienungsläden waren, lässt sich im Dokumentarfilm von Witz ebenso erfahren, wie sich der Aufbau des gewaltigen Imperiums mitverfolgen lässt, das in den Zwischenkriegsjahren mit fünf Lebensmittelwagen seinen Anfang nahm und später um Sprachkurse, Ferienreisen und sogar eine Tankstellenkette erweitert worden ist.

Witz stellt die historischen Aufnahmen aus dem Duttweiler-Archiv aktuellen Bildern gegenüber und stellt so den Zusammenhang zur Gegenwart her. Süffisante Zitate von Duttweiler sorgen immer wieder für Erheiterung, speziell solche über die Eigenschaften der Hausfrau. Mangelhaft sind einzig ein paar der von Duttweiler selbst aufgenommenen Tonaufnahmen, die für die Kinoauswertung hätten untertitelt werden müssen.

Die Biografie des Migros-Gründers fällt äusserst unkritisch aus, sein Leben wird wiederholt als ewiger Kampf von David gegen Goliath dargestellt. So wird Dutti zum Volkshelden emporstilisiert. Vielleicht gibt es tatsächlich nichts zu kritisieren, trotzdem könnte das Werk in seiner vorliegenden Form direkt als Werbefilm für die Person Duttweiler, ihre Ideen und somit auch für die Migros dienen.

Fazit: «Dutti der Riese» ist eine umfasssende und faszinierende Lobhuldigung eines der bedeutendsten Wirtschaftsgiganten der Schweiz.

Bewertung: 4 Sterne

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