«Ratatouille» von Brad Bird (Blu-ray)

«Ratatouille»

An dieser Stelle bitte ich um Verzeihung bei meinen Stammlesern. In den nächsten Wochen werde ich Texte aus meinem Archiv, hauptsächlich DVD-Tipps, hier noch einmal frisch publizieren. Das ermöglicht neuen Lesern, die Texte zu entdecken, und vielleicht alten Lesern, sich noch einmal damit auseinander zu setzen. Daneben erscheinen aber natürlich weiterhin jede Woche viele neue Texte.

Die Hauptfigur aus diesem Film ist Franzose und verspürt auf Grund eines ausgeprägten Geruchssinns den Drang zur Kreation. Hört sich ganz nach Jean-Baptiste Grenouille aus «Das Parfum» an. Die Ratte Remy aus dem Pixar-Film «Ratatouille» möchte allerdings nicht Duftwässerchen mixen, sondern in der Küche kulinarische Genüsse zubereiten. Als Ratte muss Remy natürlich diverse Hindernisse überwinden.

Remy lebt mit seinem Bruder Emile und dem Clan seines Vaters auf einem kleinen Bauernhof. Als die Sippe allerdings wegen Remys Ausflügen in die Küche entdeckt wird, müssen sie flüchten und landen mitten in Paris. Hier entdeckt Remy das Restaurant des Meisterkochs Auguste Gusteau, das die besten Zeiten allerdings schon eine weile hinter sich hat. Zusammen mit einem tollpatschigen Küchenjungen Linguini bringt Remy aber neuen Schwung in die Küche. Doch eine Ratte hat dort eigentlich nichts zu suchen, und auch die Verwandschaft kann die Leidenschaft von Remy nicht verstehen.

«Ratatouille»Es ist schon beinahe unheimlich, mit welcher Konstanz die Pixar Animation Studios ein Meisterwerk nach dem anderen in die Kinos bringen. «Ratatouille» ist nun allerdings der einzige von den bisher acht Kinofilmen, dem ich diese Bezeichnung nicht ganz zugestehe. Die Figuren sind wieder einmal hervorragend gezeichnet – visuell wie auch charakterlich. Aber die Handlung ist zu überladen und kommt dadurch im Mittelteil teils nur ziemlich zähflüssig voran.

Nachdem ich mir den Film nun ein zweites Mal angeschaut habe, stechen diese Mängel noch deutlicher hervor. Da ist zuerst einmal der innere Konflikt von Remy, der gerne wie die Menschen kochen würde, aber sich dadurch von seiner Familie entfernt. Kommt hinzu, dass er in der Küche nicht entdeckt werden darf, und daher von Linguini versteckt werden muss. Diese Ausgangslage mit allen Intrigen und Messerstechereien des Personals in der Küche würde alleine schon für eine vielschichtige Geschichte ausreichen.

Dann ist da aber auch noch ein verzwickter Erbschaftsfall, das Duell zwischen Koch und Kritiker und viele weitere kleine Nebenhandlungen, so dass bei einzelnen Strängen einfach das Fleisch am Knochen fehlt. Diese Überdichte an Erzählungen sorgt hingegen in Kombination mit der perfektion visuellen Ausgestaltung dafür, dass auch bei wiederholter zahlreiche Details entdeckt werden können.

Gerettet wird die Geschichte schliesslich durch das Dénouement, die meisterliche Auflösung. Der gnadenlose Kritiker Anton Ego, der im Original unübertrefflich von Peter O’Toole gesprochen wird, kommt zur Feststellung, dass die Bestimmung seiner Berufskollegen in der Entdeckung und Verteidigung von Neuem steckt. Diese Erkenntnis kommt wenig überraschend, ist doch der Drang nach Originalität die bestimmende Eigenschaft der Filmemacher bei Pixar.

Brad Bird, John Lasseter und ihre Kollegen lassen nicht einfach unzählige Fortsetzungen vom Fliessband laufen, sondern zaubern immer wieder neue Geschichten und Figuren aus dem Ärmel, seien es nun entführte Fische, ambitionierte Rennautos oder feinschmeckerische Ratten. «Ratatouille» ist zwar nicht der beste Pixar-Film, brilliert aber dennoch durch originelle Einfälle und liebevolle Figuren.

Die rechtzeitig vor der Oscar-Verleihung erhältliche Blu-ray-Disc enthält zahlreiche Delikatessen. Da sind zuerst einmal die beiden Kurzfilme in HD-Qualität, von denen «Lifted» auch schon im Kino zu sehen war und auch auf der Blu-ray-Disc «Pixars komplette Kurzfilm Collection» enthalten ist. In «Your Friend the Rat» erzählen Remy und Emile dann auch noch in haarsträubend witzigen Episoden die Geschichte der Ratte und ihre enge Verbundenheit mit der Menschheit. Hochauflösend ist auch der 14-minütige Beitrag «Fine Food and Film» enthalten, in dem ein Koch und ein Regisseur von der Inspiration bei der Kreation ihrer Gerichte berichten.

Die Entstehung von «Ratatouille» wird in 23 Sequenzen erklärt, die über eine Stunde dauern und sich einerseits aus Sitzungen über die Figurenentwicklung und andererseits aus diversen Beiträgen über die Gestaltung von Paris, die Kameraarbeit bis hin zur Beleuchtung und Farbgestaltung zusammensetzen. Dazu kommen noch drei entfallene Szenen in verschiedenen Entwicklungsstufen sowie eine herrlich übertriebene Zusammenstellung von einigen Animatoren, die entfallenen Einstellungen nachtrauern, für die sie stunden- bis tagelang geschuftet haben. Zudem wird in einem 3-minütigen Beitrag der während den Dreharbeiten verstorbene Figurendesigner Dan Lee gewürdigt.

«Ratatouille» ist ausserdem vermutlich die erste Blu-ray-Disc, die mit dem Extra «Cine-Explore» ausgestattet ist. Im Grunde genommen ist diese Funktion nicht viel mehr als ein Audiokommentar (von Bird und Produzent Brad Lewis) mit zwischendurch eingeblendeten Skizzen und Standbildern. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, das bereits erwähnte Bonusmaterial in den Film einzubinden. Im Gegensatz zur «In-Movie Experience» auf den Warner-HD-DVDs «Blood Diamond» oder «The Complete Matrix Trilogy», die an bestimmten Punkten im Film weiteres Videomaterial anbietet, muss die Auswahl bei «Ratatouille» jedoch schon vor dem Abspielen des Films abgeschlossen werden. Ganz ausgereift ist diese Technologie also noch nicht.

Zuletzt noch das notwendige Wort zu Bild- und Tonqualität: Perfekt! Und: Mit Ausnahme der «Cine-Explore»-Funktion ist das gesamte Bonusmaterial in Standardauflösung auch auf der «Special Edition»-DVD enthalten.

Film: 5 Sterne
Bild-/Tonqualität (Blu-ray): 6 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
5 Sterne

(Bilder: ©Disney)

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