«Ich bin’s Helmut» von Nicolas Steiner

Matthias Zelic, Andreas Herzog und Suly Röthlisberger in «Ich bin's Helmut»

Mein Junge, wo gehst du hin?

Helmut (Matthias Zelic) und seine Frau Gertrud (Suly Röthlisberger) feiern gerade seinen 60. Geburtstag. Er erhebt allerdings Einspruch: Er sei erst 57. «Gertrud hat sich verrechnet,» erklärt er dem Publikum. So trostlos wie die Einrichtung des Wohnzimmers scheint auch die Ehe zu sein. Zufrieden sieht Helmut auf jeden Fall nicht aus. Er beklagt sich über seine nachtragende und endlos tratschende Gattin. Höchste Zeit für Helmut, über sein Leben nachzudenken.

Plötzlich taucht aus der Mitte des Tisches ein Kopf auf. Es ist der Günter (Andreas Herzog), der Nachbar, der auch zum Geburtstag gratulieren möchte. «Eigentlich nett,» meint Helmut. Doch die Floskeln hält er nicht lange aus. Sowieso fragt sich Helmut, was Günter und Gertrud miteinander zu reden haben. Lakonisch kommentiert Helmut die Ereignisse, während sein Leben an ihm vorbeizieht. Immer mehr Figuren aus der Vergangenheit tauchen auf. Zum Beispiel Hans (Björn Keckeis), der Jäger, den er angeschossen hat. Oder Sohn Martin (Rini Lleshaj), der aber gleich wieder weg ist.

Das Wohnzimmer löst sich langsam in seine Bestandteile auf, die Wände verschwinden. Helmut steht schliesslich an einer Bushaltestelle, an der an diesem Tag aber kein Bus mehr fährt. Er erinnert sich daran, dass er einmal von hier fort wollte und folgert: «Es ist schon erschreckend, wie man sein Leben verpasst, nur weil der Bus nicht kommt, wann er soll.» Während Helmut den entgangenen Möglichkeiten nachtrauert, fällt die letzte Wand und er findet sich auf einer Bergwiese wieder.

Helene Bregy, Therese Borter, Marie Borter und Matthias Zelic in «Ich bin's Helmut»

Mit seinem Kurzfilm «Ich bin’s Helmut» legt Nicolas Steiner einen reifen und virtuosen Film ab. An der verfrühten Geburtstagseier tauchen aus den unmöglichsten Orten Personen aus dem Leben von Helmut auf, die regelrecht die Fassade des bürgerlichen Lebens einreissen. Steiner gestaltet die Bilanz eines Lebens äusserst skurril, unverschämt frech und leise melancholisch zugleich. Im eigenwilligen Werk spielt er ebenso tiefschürfend wie vergnüglich mit der Illusion der Oberfläche.

Durch die kluge Inszenierung der Geschichte kommt Steiner ohne Schnitt aus. Die beweglichen Kulissen ermöglichen dennoch unerwartete Mobilität und einen Schauplatzwechsel nach dem anderen. Die kuriosen Einfälle bei der Gestaltung des Bühnenbilds sorgen für heitere Momente und verblüffende Übergänge, die Helmut den Weg in die Zukunft ebnen. So unbeständig sein Leben nämlich im Rückblick erscheint, so zuversichtlich macht er sich am Ende auf die Suche nach seiner Melodie.

Der im Rahmen seines Studiums an der Filmakademie Baden-Württemberg realisierte Kurzfilm von Steiner wurde an über 20 Festivals in aller Welt eingeladen und unter anderem mit dem Preis für den besten Schweizer Kurzfilm an den 13. Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur und dem Prix Taurus Studio à l’innovation  am 10. Neuchâtel International Fantastic Film Festival ausgezeichnet.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: © Filmakademie Baden-Württemberg)

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