«The Tree of Life» von Terrence Malick

«The Tree of Life»

There are two ways through life: the way of nature, and the way of Grace. You have to choose which one you’ll follow.

Es lässt sich kaum bestreiten, dass Regisseur und Drehbuchautor Terrence Malick alles andere als ein konventioneller Filmemacher ist. Einerseits vergehen zwischen der Entstehung seiner Werke für gewöhnlich mehrere Jahre. Ein Grund dafür liegt sicher im andererseits: Die Filme von Malick widersetzen sich heftig den formalen und narrativen Konventionen des gängigen Hollywood-Kinos. Das gilt auch ganz besonders für «The Tree of Life», eine philosophische Betrachtung des Gegensatzes von einem durch (natürliche) Triebe bestimmten und einem von (göttlicher) Gnade geleiteten Wesen.

Eine eigentliche Handlung lässt sich in «The Tree of Life» nicht finden. Vielmehr wird der Zustand eines Lebens erforscht, das zwischen der Erwartungshaltung eines strengen Vaters (Brad Pitt) und einer gutmütigen Mutter (Jessica Chastain) zerdrückt wird. Die ersten Aufnahmen zeigen eine eigentliche Familienidylle von Vater, Mutter und den drei Söhnen Jack (Hunter McCracken), Steve (Tye Sheridan) und R. L. (Laramie Eppler), die unbeschwert miteinander spielen. Doch dann bricht dieses Glück durch die Nachricht des Todes eines Sohnes im Alter von 19 Jahren auseinander. Welcher der drei Söhne gestorben ist, lässt sich nicht genau bestimmen, doch wenigstens hat die Mutter noch zwei weitere Söhne, versucht die Grossmutter (Fiona Shaw) zu trösten.

Dazwischen tauchen auch noch Eindrücke von dem mittlerweile erwachsenen Jack (Sean Penn) auf, der den Weg von der ländlichen Kleinstadt in die von kühlen Hochhäusern dominierte Grossstadt gegangen ist. Dort quält ihn die Erinnerung an seine Jugend. Bald folgt ein vermutlich gut 20-minütiger Exkurs zurück zur Entstehung des Universums mit überwältigenden Aufnahmen von Makro- und Mikrokosmos. Dinosaurier beschnuppern sich oder leiden an Wunden, kurz bevor sie durch einen Meteoreinschlag ausgelöscht werden. Schliesslich setzt so etwas wie eine Geschichte ein. Der Vater zwingt die Söhne zu unerbittlicher Härte, damit sie sich im Leben durchsetzen können. Doch vor allem Jack wird durch die Strenge des Vaters mehr eingeschüchtert als motiviert.

Laramie Eppler, Brad Pitt, Tye Sheridan und Hunter McCracken in «The Tree of Life»

Es sind die unterschiedlichen Lebensweisen, die einander in «The Tree of Life» exemplarisch gegenüber gestellt werden. Auf der einen Seite der Sanftmut der Mutter, die durch ihre Fragen an die Güte eines Gottes apelliert, auf der anderen Seite der ebenso fromme, aber auf das Prinzip des Überleben des Stärkeren vertrauende Vater. Doch in der Beziehung zwischen Vater und Sohn ist immer der Vater der Stärkere und so leidet der Junge, ob er nun von seinem Vater für den vertrockneten Rasen getadelt wird oder aber aufgefordert wird, in der Übung eines Kampfes stärker zuzuschlagen. Am Ende scheint sich Jack zwar in der Geschäftswelt durchgesetzt zu haben, doch Erfüllung hat er in der leere der Grossstadt keine gefunden und so wandelt er symbolisch auch einsam durch fremdartige Landschaften. Wie sich der Tod des Bruders (vermutlich im Vietnamkrieg) ausgewirkt hat, wird nicht explizit beantwortet und spielt eigentlich auch keine Rolle.

Das filmische Experiment von Terrence Malick ist ein eigentlicher Abgesang auf den «American Way of Life», der durch den vater verkörpert wird. Der erklärt seinen Söhnen immer wieder die Tugenden des Arbeitseifers und wie er über mehrere Patente verfügt, die ihn über sein Schicksal bestimmen lassen und ihn reich machen werden. Gleichzeitig idolisiert er die reichen Land- und Immobilienbesitzer in ihrer Ortschaft. Rücksichtslos müsse man sein, will man sich im Leben durchsetzen, bringt er seinen Söhnen bei: «It takes fierce will to get ahead in this world.» Doch letztlich scheitert er, weil die Fabrik, in der er in leitender Position angestellt war, geschlossen wird. Geknickt muss er eingestehen, dass sein Lebensentwurf ein falscher Weg war, während sein ältester Sohn betet, dass der Vater stirbt.

Stellt sich also die Frage, ob in «The Tree of Life» das gnädige Gottesvertrauen der Mutter als Alternative auf die triebhafte Verdrängungsstrategie des Vaters gepredigt wird. Ganz eindeutig lässt sich diese Frage nach einmaliger Betrachtung des Films nicht abschliessend beantworten. Ebenso wenig wie die Mutter auf ihre vielen Fragen an den Ursprung und die Fügung des Lebens auch nur eine Antwort erhält. Stattdessen muss sie den Tod eines Sohnes verkraften. Soll nun dadurch ihr Glauben auf die Probe gestellt werden, dient der Tod als Bestrafung für das gnadenlose Leben des Vaters oder spielt es letzten Ende sowieso keine Rolle, wie und wann der unbedeutende Atem eines Menschen aus dem Universum verschwindet?

Wer also eine klare Geschichte mit ordentlichem Anfang und sauberen Ende erwartet, wird von «The Tree of Life» ganz gewaltig enttäuscht, wenn nicht sogar verärgert werden. Malick kümmert sich nicht um klare Antworten. Stattdessen entwirft er irgendwo zwischen «Koyaanisqatsi», «2001: A Space Odyssey» und selbsverständlich stark in der Tradition seiner bisherigen Werke ein meditatives und rätselhaftes Werk. Grandios sind die Kameraarbeit und der Schnitt, die zu einer hypnotisierenden Wirkung führen. Genauso eindringlich wie die visuelle Gestaltung ist aber auch die Leistung der Schauspieler, besonders von Brad Pitt, der wie eine Urgewalt durch den Film wirbelt, und von Jessica Chastain, die als zartes Gegenstück durch die Szenen schwebt. Zuletzt: Der Inhalt des Films vermag entweder zu berühren oder aber einfach nur zu langweilen. Das hängt primär von der persönlichen Einstellung ab.

Fazit: «The Tree of Life» ist ein kühnes Experiment, dass je nach subjektiver Einschätzung auf packende Weise zu philosophischen Gedanken anregt oder einfach nur gewaltig scheitert.

Bewertung:6 Sterne

(Bilder: Elite Film AG)

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