«The Countess» von und mit Julie Delpy

Julie Delpy und Daniel Brühl in «The Countess»

I do not object to being feared.

Obschon mir «2 Days in Paris», das Regiedebüt von Julie Delpy, sehr gut gefallen hat, war ich mir nicht sicher, ob ich mir ihr nächstes Werk ansehen sollte. Dann habe ich auf der IMDb folgende Inhaltsangabe zu «The Countess» gelesen: «A 17th century Hungarian countess embarks on a murderous undertaking, with the belief that bathing in the blood of virgins will preserve her beauty.» Die hübsche Delpy als mordende Gräfin, die in Blut von Jungfrauen badet. Wer kann da schon widerstehen.

Ich habe bisher noch nie von der ungarischen Gräfin Erzebet Bathory gehört habe. Dabei taucht sie immer wieder in Filmen auf und ist eine faszinierende Figur, in der sich Geschichte und Legende vermischen. Über 600 Mädchen soll sie getötet haben, um sich in deren Blut baden zu können, um so ewige Jugend zu erlangen. Kein Wunder, wird Erzebet Bathory immer wieder in Verbindung mit der Legende von Graf Dracula gebracht. Regisseur und Drehbuchautorin Julie Delpy hat aus den Überlieferungen das historische Liebesdrama «The Countess» gefertigt – nicht ganz so blutig, wie die Ausgangslage vermuten lässt.

Bevor ich aber auf den Film eingehe, möchte ich zuerst einige Hintergrundinformationen aus den Presseunterlagen überliefern. Erzebet Bathory lebte von 1560 bis 1614. Die Familie Bathory ist ein fürstliches Geschlecht aus Siebenbürgen, das im 15. Jahrhundert in Ungarn heimisch wurde. Erzebets Bruder Stephan Bathory war König von Polen. Die Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Laszlo Turoczi von 1742 («Ungaria suis cum regibus data») gehören zu den ersten in einer langen Reihe von Texten über Erzebet Bathory.

Viele der nachfolgenden Autoren beriefen sich auf Turoczi und übernahmen die Aussage der «gottlosen Blutbäder». Es dauerte nicht lange, bis aus Turoczis Aussage eine Tatsache geworden war. Es findet sich in der Folge kaum ein Text ohne den Hinweis auf die Blutbäder. Wie die Bathory das Blut gewann, wie sie sich damit wusch und darin badete, wird immer ausführlicher beschrieben und gipfelt schliesslich in der Fantasie der eigens dafür konstruierten Eisernen Jungfrau als «Blutpresse».

In den Verhörprotokollen und Zeugenaussagen des Prozesses um Erzebet Bathory wird jedoch mit keinem Wort erwähnt, dass sie Blutbäder genommen hätte. Es ist von Quälereien die Rede, wie Schlagen mit einem Stock, Übergiessen mit kaltem Wasser, Stechen mit Nadeln und Messern, Aufschneiden mit einer Schere, Verbrennen mit glühendem Eisen. Viele der Opfer wurden bis zum Tode gequält – sowohl von Erzebet Bathory selbst als auch von ihren Bediensteten.

Die Angaben über die Zahl der Opfer schwanken in den Protokollen zwischen 30 und 80, ein Zeuge sprach von 650 und beruft sich dabei auf das Tagebuch der Erzebet Bathory, in das alle Opfer eingetragen worden seien. Auch in Bezug auf den Ort der Folterungen klaffen Legende und Zeugenaussagen auseinander. Die Legende rankt sich um einen einzigen Ort: die Burg Cachtice mit ihren labyrinthischen Gängen und Gewölben. Erzebet Bathory quälte ihre Opfer laut Prozessakten allerdings in allen ihren Burgen und Schlössern und auch auf Reisen.

Das Gericht verurteilte zwei Dienerinnen und Mittäterinnen der Bathory zum Tod auf dem Scheiterhaufen, nachdem ihnen zuvor die Hände abgehackt wurden. Ein weiterer Diener wurde enthauptet. Erzebet Bathory selbst wurde 1611 zu lebenslänglicher Gefangenschaft auf ihrem Schloss verurteilt, in dem sie 1614 starb. Bewegt sich Delpy mit ihrem Film näher an der Legende oder den überlieferten Tatsachen? Sie hat versucht, die Legende und die wahre Geschichte dieser Frau miteinander zu verbinden. Wem die bisherigen brutalen Beschreibungen schon zu bildlich waren, kann beruhigt sein: Delpy hält sich mit grausamen Szenen zurück.

Gräfin Bathory (Julie Delpy) wird schon bei der Geburt dem Grafen Ferenc Nadasky (Charly Hübner) als Braut versprochen, den sie 15 Jahre später heiratet. Er profiliert sich als furchtloser und fürchterlicher Kämpfer im Krieg gegen die Türken. Sie verwaltet derweil die Ländereien. Gemeinsam sind sie so erfolgreich, dass sogar der König von ihnen abhängig ist, weil er auf die Soldaten von Nadasky und das Geld von Barthory angewiesen ist. Nach einer kurzen Krankheit stirbt Nadasky allerdings. Barthory muss sich einen neuen Gatten suchen, um ihre Macht zu verteidigen.

In Wien macht sich der um einige Jahre ältere Graf Thurzo (William Hurt) an sie heran. Sie lehnt den Handelsmann jedoch ab, weil er keinem reinen Geschlecht entstamme. Kurz darauf lernt Barthory den Sohn von Thurzo kennen, den 21-jährigen Istvan (Daniel Brühl). Die beiden verlieben sich leidenschaftlich ineinander. Doch ihr Glück ist nur von kurzer Dauer: Istvans Vater zwingt seinen Sohn, den Kontakt zu Erzebet abzubrechen und beginnt ein intrigantes Spiel. Die Gräfin vermutet eine Zurückweisung aufgrund ihres nicht mehr ganz jugendlichen Aussehens. Da kommt sie auf die Idee, das Blut jungfräulicher Mädchen verhelfe ihr zu ewiger Jugend und Schönheit.

Anna Maria Mühe und Julie Delpy in «The Countess»

«The Countess» ist also ein Film über eine vermeintlich starke Frau in einer Zeit, in der Frauen vor allem als Dekoration und Gebärerinnen von Nachkommen dienten. Wenn sie diesen Zweck nicht mehr erfüllen konnten, waren sie zwecklos. Diese Thematik wird von Delpy vor allem auf das Aussehen reduziert. Wie lästig die Macht der Barthory den Adligen war, wird nur am Rande gezeigt. «Time has no respect for beauty» und «there is beauty in letting time do its duty» sind vielmehr die Schlüsselsätze.

Durch die Fokussierung auf den Schönheitswahn schränkt Delpy die Allgemeingültigkeit ihres Films stark ein. Als Motiv für die Blutsucht von Barthory wird zudem die Liebe ins Zentrum gestellt. Die Barthory von Delpy wird durch den Liebesentzug regelrecht wahnsinnig, verliert langsam jeden Bezug zur Realität. Da nützt es auch nichts mehr, als Thruzo ihr erklärt: «Love is a myth to keep the minds of peasants occupied with a dream.» Barthory ist am Ende eine Gefangene ihres Verlangens nach Zuneigung. Eine starke Frau hätte sich anders verhalten. So nährt Delpy mehr die Legende als die Geschichte.

Dabei ist «The Countess» in der ersten Hälfte gediegenes, noch ziemlich blutleeres Ausstattungskino, das sorgfältig das Machtgefüge und die Rolle der Frau seziert. Das wirkt teilweise ein wenig steif, wird aber durch die Kameraarbeit von Martin Ruhe («Control») stilvoll in Szene gesetzt. In der zweiten Hälfte sorgt dann die Blutsucht der Barthory für eine düsterere Stimmung. Trotz den schrecklichen Taten sind aber auch einige humorvolle Momente enthalten. Ob diese beabsichtigt waren oder eher unfreiwillig entstanden sind, muss das Publikum selbst entscheiden. Delpy in ihrem Wahn ist auf jeden Fall sehenswert.

Etwas unglücklich wirkt sich der Entscheid aus, den Film auf Englisch zu drehen. So müssen sich die Darsteller zwischendurch mehr auf die Sprache als auf das Spiel konzentrieren. Unfreiwillig komisch sind Szenen, in denen William Hurt einen dickeren deutschen Akzent vorweist als Daniel Brühl. Wann wird endlich auf die künstlichen Dialekte für Fremdsprachen verzichtet?!

Fazit: «The Countess» ist ein atmosphärisch verführendes, inhaltlich aber nicht immer ganz überzeugendes Liebesdrama.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: ©Filmcoopi)

Schreib einen Kommentar

You must be logged in to post a comment.