Locarno 09: «Complices» von Frédéric Mermoud

Cyril Descours und Nina Meurisse in «Complices»

Unbekümmerte jugendliche Liebe trifft in «Complices» auf abgeklärte erwachsene Einsamkeit. Das Spielfilmdebüt von Frédéric Mermoud ist der «Schweizer» Beitrag im Internationalen Wettbewerb von Locarno (lediglich eine Koproduktion, aber immerhin mit Schweizer Regisseur). Oberflächlich betrachtet ist «Complices» ein einfacher Kriminalfilm, der sich aber auch als intimes Porträt zweier ungleicher Paare betrachten lässt.

Zuerst wird eine Leiche aus der Rhone gefischt. Die Inspektoren Mangin (Emmanuelle Devos) und Cagan (Gilbert Melki) kümmern sich um den Fall. Schnell finden sie heraus, dass es sich bei dem Opfer einer Gewalttat um Vincent (Cyril Descours) handelt, der sich sein Geld als Strichjunge verdiente. Die Spur führt auch zu seiner Freundin Rebecca (Nina Meurisse), die sich aber aus dem Staub gemacht hat.

Eine zweite Erzählebene schildert die Beziehung zwischen Vincent und Rebecca. Der sich als in Immobilien Tätiger vorstellende Junge und die Gymnasiastin verlieben sich ineinander, geniessen unbeschwerte Stunden miteinander. Eines Tages gesteht Vincent, dass er als Prostituierter arbeitet. Rebecca ist zunächst entsetzt, entschliesst sich dann aber, um ihre Liebe zu kämpfen. Sie lässt sich dazu auch von Vincent für seine Aufträge einspannen.

Emmanuelle Devos und Gilbert Melki in «Complices»

Je näher die Inspektoren der Wahrheit kommen, umso gefährlicher wird das Leben der Jugendlichen. So springt die Erzählung hin und her. Die vibrierende, sexuell ausgiebig gelebte Liebe zwischen Vincent und Rebecca wird in intensiven Farben aufgezeichnet. Die emotional unerfüllte Welt der Inspektoren erlaubt nicht viele Farbtöne, wird auf diverse Graustufen reduziert.

So unterschiedlich wie die Farbintensität ist auch die Gefühlswelt. Die Jugendlichen lassen sich ungehemmt von ihren Emotionen treiben. Niedergeschlagen sind die beiden Erwachsenen. Sie treibt sich auf Websites für Singles rum, findet aber nur enttäuschende Erfahrungen. Er ist über ihre Verabredungen mit Fremden wenig erfreut, scheint sich für sie zu interessieren, wagt aber nicht, seine Gefühle für sie zu formulieren. Sind Vincent und Rebecca beinahe untrennbar, besteht zwischen Cagan und Mangin meist eine unüberwindbare Distanz.

Regisseur Frédéric Mermoud hat die Inszenierung im Wechsel zwischen verschiedenen Ebenen problemlos im Griff. Mehrwert erhält dieser an sich ziemlich konventionelle Kriminalfilm durch die wohlgeformten Figuren, die zwischen Euphorie und Depression schweben, ihre Träume zum Greifen nah und doch so weit entfernt. Einzig der Schluss, wenn Cagan und Rebecca nach Aufklärung des Falls noch einmal aufeinandertreffen, ist ein durch seinen Kitschfaktor leicht zu gewagter Epilog. Hier wird versöhnlich eine heile Welt in Aussicht gestellt, die zuvor erschütternd demaskiert wurde.

Fazit: «Complices» ist eine einfühlsam erzählter Kriminalfilm, der mehr Wert auf die Figuren als auf die Ermittlungen legt.

Bewertung: 4 Sterne

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