«Cargo» von Ivan Engler und Marcel Wolfisberg

Anna Katharina Schwabroh in «Cargo»

Da unten ist was, in der Frachtschleuse.

Der Schweizer Film hat in diesem Jahr den Weltraum entdeckt. Die Dokumentarfilme «The Marsdreamers» und «Space Tourists» beschäftigen sich mit den Möglichkeiten der bemannten Raumfahrt bis zum Mars. Derweil werden im Spielfilm «Cargo» die Figuren noch viel tiefer ins Universum geschickt. Das Raumschiff Kassandra transportiert angeblich Baumaterial zu einem fernen Raumhafen. Oder ist etwas anderes geladen? Nicht nur die Fracht stellt die Besatzung vor unerwartete Herausforderungen.

Weil das Leben auf der Erde durch Umweltverschmutzung und Seuchen nicht mehr möglich ist, sollen weiter entfernte Planeten bewohnbar gemacht werden. Laura Portmann (Anna Katharina Schwabroh) heuert auf dem leicht heruntergekommenen Raumschiff Kassandra als Ärztin an. Der Lohn für die beschwerliche Reise zur Station 42 soll ihr einen Flug nach Rhea ermöglichen. Auf dem idyllischen Planeten befindet sich bereits ihre Schwester.

Da es in letzter Zeit vermehrt zu Anschlägen von Aktivisten gekommen ist, die gegen die Bevölkerung des Weltraums und für eine Rückkehr zur Erde kämpfen, begleitet auch der Sicherheitsbeamte Samuel Decker (Martin Rapold) die Reise. Wenig Freude daran hat die restliche Besatzung der Kassandra, die aus Captain Pierre Lacroix (Pierre Semmler), seiner Assistentin Anna Lindbergh (Regula Grauwiller), der Navigatorin Miyuki Yoshida (Yangzom Brauen) und den beiden Hilfskräften Claudio Vespucci (Michael Finger) und Igor Prokoff (Claude-Oliver Rudolph) besteht.

Die erste Zeit der vierjährigen Reise verläuft ereignislos. Die Besatzung verbringt die Reise mit Ausnahme der jeweils diensthabenden Person im Kälteschlaf. Doch zwei Monate vor Ankunft im Raumhafen entdeckt Portmann, dass die Schleuse zum Frachtraum geöffnet war. Sie weckt Laxcroix und Decker, um die Ungereimtheiten zu untersuchen. Dabei stossen sie auf bedrohliche Geheimnisse, die bald zu einer Gefahr für die gesamte Besatzung werden.

Anna Katharina Schwabroh und Martin Rapold in «Cargo»

Mit viel Einsatz und Idealismus haben Regisseur Ivan Engler und Produzent Marcel Wolfisberg ihren Traum vom ersten Schweizer Science-Fiction-Film verwirklicht. Nach mehreren Jahren intensiver Vorbereitung begannen am 11. Februar 2008 in einer vor dem Abbruch stehenden Industriehalle auf dem Sulzer-Areal in Winterthur die Dreharbeiten. Nach zehn Wochen Drehzeit wurde die umfangreiche Nachbearbeitung in Angriff genommenh. Im Spannungsfeld zwischen den künstlerischen Ansprüchen von Engler und den Kostenvorgaben von Wolfisberg überwachte Visual Effects Supervisor Michael Scialpi die Entstehung der digitalen Welten für die Reise durch den Weltraum.

Da einheimische Produktionen aus diesem Genre fehlen, muss das Regiedebüt von Engler zwangsläufig den Vergleich mit internationalen Werken auf sich nehmen. Diesen Test besteht die Schweizer Produktion zwar nicht vollständig, es gelingt ihr aber doch, in vielen Bereichen überaus befriedigend abzuschneiden. Als Gradmesser in Sachen Umsetzung kann «Moon» von Duncan Jones herbeigezogen werden. Beide Filme mussten mit einem relativ geringen Budget von um die 5 Millionen Franken auskommen.

Duncan Jones machte aus den finanziellen Einschränkungen eine Tugend und begnügte sich damit, seinen Thriller hauptsächlich in Innenräumen spielen zu lassen. Die wenigen Ausflüge auf die Oberfläche des Mondes konnten dadurch visuell tadellos umgesetzt werden. Engler und Wolfisberg liessen es sich hingegen nicht nehmen, regelmässig anspruchsvolle Aussenaufnahmen einzustreuen. Das ist optisch spektakulär, steigert aber auch den Druck auf die technische Umsetzung. Auch ohne besonders darauf zu achten, ist daher in einigen Szenen an vereinzelten Konturen ein leichtes Flimmern zu entdecken. Diese kleinen Makel schmälern die beeindruckende Leistung allerdings nur geringfügig.

Die Geschichte und die Stimmung auf dem Schiff erinnern in erster Linie an «Alien» von Ridley Scott. Die Bedrohung ist zwar nicht gleichen Ursprungs, wird aber fast gleich unheimlich inszeniert. Die dunklen Gänge auf der Kassandra und die gegenseitigen Verdächtigungen sorgen für eine beklemmende Atmosphäre. In der zweiten Hälfte des Films wird die Handlung jedoch ziemlich überladen. Alle noch überlebenden Besatzungsmitglieder verfolgen plötzlich ihre entgegengesetzten Interessen. Vor lauter Enthüllungen und Täuschungen geht schnell einmal die Übersicht und auch die zuvor aufgebaute Stimmung verloren. Trotz einigen Abstrichen ist «Cargo» aber dennoch ein beachtlicher Ausflug in ein bisher vom Schweizer Film vernachlässigtes Genre.

Fazit: «Cargo» ist ein solider Science-Fiction-Thriller, der hauptsächlich visuell und atmosphärisch auftrumpfen kann.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: ©2009 Ascot Elite)

Mehr zum Thema:
Interview mit Produzent Marcel Wolfisberg (26. Dezember 2008)

8 Kommentare to “«Cargo» von Ivan Engler und Marcel Wolfisberg”

  1. Peter Bl. says:

    Ich war an der «Weltpremiere» in Zürich-Sihlcity und hatte mir einiges von «Cargo» versprochen. Am Ende war ich ziemlich ernüchtert. Der Film ist eine halbe Stunde zu lang, der Story fehlt es an Substanz, es gibt einige logische Ungereimtheiten und die Schauspieler wirken total unterfordert. Überzeugt haben mich nur Hauptdarstellerin Anna Katharina Schwabroh und die hübschen Digitaleffekte. Trotzdem frage ich mich, ob man nicht besser mehr vom knappen Geld ins Drehbuch investiert hätte.

  2. Jürgen S says:

    Ich war an der Premiere vom 23. in Winterthur. Aus meiner Sicht ist der Film ausgesprochen gut gelungen. Während der Film ganz langsam anfängt und die Spannung bis zur Auflösung nach und nach aufbaut, wird im ‘2.Teil’ ein gelungener, glaubhafter Schluss inszeniert (da muss man etwas ‘mitdenken’). Die Szenen und Personen wirken unglaublich realistisch und authentisch, keine Ahnung, wie das mit diesem kleinen Budget möglich war. Auch hat der Film keine echten physikalischen oder logische Fehler, wie das bei SF-Filmen ja häufig der Fall ist! Mein Tipp: unbedingt hingehen – das ist für einen Schweizer-Film einmalig!

  3. Martin says:

    Hallo Peter,

    hab den film leider noch nicht gesehen.
    Aber eins kann ich garantieren; Mit 5 Millionen
    werden normalerweise Komödien und Kriminalgeschichten
    Verfilmt, und ich glaube nicht das eine umverteilung
    der finanzen bei diesem kleinen budget einen grossen einfluss
    auf irgend ein department hat. Wenn da 10 Millionen drinn
    gewesen wären könnte mann sich die frage eventuell nochmals
    stellen

    martin

  4. Zappadong says:

    Ich fand den Film vor allem visuell umwerfend gut gemacht. Das langsame Angehen gefällt mir ausgesprochen gut; in der zweiten Hälfte geht es dann fast zu schnell (und wer “Matrix” nicht gesehen hat, könnte für einen Moment ins Schleudern kommen). Die Schauspieler überzeugen, die Filmmusik passt bestens.

    PS: Danke fürs Korrigieren drüben in meiner Bloghütte.

  5. Walter Rohner says:

    Durch die Bilderwelt im Innern der Kassandra ist in mir das Gefühl einer grossen Beklemmung entstanden, das Gefühl einer “désolation totale”. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich im Film “Stalker” von Andrei Tarkovsky, den ich vor mehr als 20 Jahren gesehen hatte und der mir wie wenig andere atmosphärisch bis jetzt ganz stark in Erinnerung ist. – Das Besondere in diesem Film ist unter anderem, dass hier nicht ein blitzblankes, perfekt funktionierendes Raumschiff unterwegs ist, wie es sonst in solchen Filmen der Fall ist. Nein, es wird einem zu Bewusstsein gebracht, dass auch solche Vehikel altern und irgendwann mal zerfallen. Man wird an seinen eigenen Tod erinnert. Der Kontrast zwischen den schönen Bildern der Erde und diesem abgetakelten Raumschiff ist wuchtig, ein starkes Element des Films. Und dieser Kontrast löste in mir einmal mehr die Erkenntnis aus: ja, es gibt keine Alternative zu unserer guten alten Erde (“immer noch schön”, sagt Laura einmal) und wir sollten wirklich Sorge zu ihr tragen. Und eine weitere Botschaft entnahm ich dem Film: leben wir das wirkliche Leben und nicht Simulationen! Das scheint mir ein ganz aktuelles Thema, angesichts all der virtuellen Welten, die sich im Internet auftun. Die Figur der Laura finde ich filmisch sehr gut eingefangen, sie bleibt einem haften. Einen der stärksten Moment des Films überhaupt finde ich den, wo sie ihre Schwester umarmt und dann ins Leere blickt, mit einem unglaublich intensiven Blick, der ihre widersprüchlichen Gefühle gleichzeitig zum Ausdruck bringt: die Freude, ihrer Schwester nahe zu sein, aber auch die Verzweiflung im Wissen, dass alles Simulation ist. Köstlich fand ich die beiden Handwerksgesellen, die in ihrer hemdsärmlig-proletarischen Art einen Kontrast ergeben zur Hightech-Umgebung. Und wie sie dann ihr Fest feiern, gleichsam an einem irdisch-gemütlichen Stammtisch: eine herzerwärmende, aber auch unwirklich anmutende Oase in dieser Umgebung! Also, mit diesem Film wurde mit beschränkten Mitteln etwas ganz Hervorragendes geschaffen, das viele Gedanken und Gefühle auslöst.

  6. peter nadiner says:

    habe gerade cargo gesehen. totaler müll. etwas von alien, etwas von matrix und dann aufs billigste gedreht. sowas kann man heute dem sf publikum nicht mehr vorsetzen. wenn kein geld da ist, drehen wir eben keinen sf. null spannung, schauspielerei zum einschlafen, ein völlig bekloppte liebesgeschichte. bin sauer, weil der film als dvd dick beworben wird. sorry leute, wer solche erwartungen weckt, muss sich klare worte gefallen lassen.

  7. whaleo says:

    Nicht durchweg, aber insgesamt sehr enttäuschender B-Film!
    Habe den Film eben gesehen und bin nach anfänglicher Euphorie doch sehr enttäuscht. Zumal mir der Anfang, die ersten Minuten übermäßig gut gefallen haben und man die Bildregie durchaus als teilweise bildgewaltig bezeichnen kann, hört der gute Teil eigentlich auf sobald die Hauptdarstellerin den Mund aufmacht, sprich nach wenigen Minuten. Die Schauspieler sind ganz okay, aber vor allem das wirklich langweilige Drehbuch (mit einer Geschichte, die man schon xx-mal gesehen hat) nervt schon nach kurzer Zeit ziemlich an. Viele Momente sind schlicht gesagt öde! Was mir auch wenig gefallen hat ist die Ausstattung, dernach wir in der Zukunft praktisch ausschließlich mit hunderte von Jahre alten Geräten arbeiten, Schutzanzüge werden aus alten Anoraks gemacht, die Polizei bekommt ihre Pistolen direkt aus dem Museum und Panasonic hat wohl gerade einen Retro-Laptob rausgebracht, usw.
    Der Film dürfte allenfalls ganz okay (aber auch nicht mehr) sein für Zuschauer, die sich nur ab und zu mal einen Film ansehen, für FilmFans oder erst recht SciFi-Fans ist er nicht wirklich sehenswert.
    Es gibt eine Menge Filme, die ich mir noch ein zweites oder drittes+ Mal ansehen würde, habe einige wirklich gute mit Sicherheit an die hundert Mal gesehen, doch diesen Film habe ich gleich nach dem Schauen erst einmal verärgert weggelegt und würde ihn kein zweites Mal gucken wollen – womit eigentlich alles gesagt ist.

  8. whaleo says:

    Vielleicht ein halbwegs guter Film für angehende Filmemacher, ähnlich wie die Uwe Boll Filme – um zu sehen wie man es nicht macht!…

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