Der verlorene Kampf um die «Champions» von Arosa

Marco Rima in «Champions»

Ich habe immer ein wenig ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Schweizer Film negativ beurteile. Da haben die Filmemacher sicher viel Schweiss und manchmal auch Blut geschwitzt, um ein Projekt zu realisieren, und dann schreibt so ein frecher Journalist einen Verriss. Schon ein wenig unverschämt. Aber wenn das Produkt so missraten ausfällt, wie die Eishockey-Tragikomödie «Champions» mit Marco Rima, dann lässt sich das einfach nicht vermeiden. Da pflichtet mir in diesem Fall sogar der Regisseur bei.

Von Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Riccardo Signorell und Produzentin Dayana Hächler habe ich heute unerwartet eine Nachricht erhalten. Angehängt war ein Brief an Crew, Schauspieler und Freunde, der «vielleicht erklärt, warum ‹Champions› heute so aussieht, wie Sie treffend in Ihrem Blog beschreiben.» Ich hatte bereits gehört, dass die Entstehung des Films eher aussergewöhnlich war, weil es zu einem Streit zwischen den übrigen Produzenten und Signorell gekommen ist. Über das Ausmass dieses Konflikts hatte ich allerdings keine Ahnung. Eine weitere Episode in der derzeit ziemlich traurigen Schweizer Filmlandschaft.

Wie schon bei der ins Trudeln geratenen Produktion «Sennentuntschi» entsteht der Eindruck, dass die Ereignisse hinter den Kulissen oftmals ausreichend Stoff für mehrere spannende Filme liefern würden, mit «sinnlosen Machtkämpfen und den ewigen Streitereien» über einen Film, der «eine Liebeserklärung ans Eishockey hätte werden sollen,» wie Signorell und Hächler in ihrem Brief schreiben. In der Folge schildern Signorell und Hächler die bisherige Entstehungsgeschichte von «Champions» aus ihrer Sicht. Die Chronologie liest sich beinahe wie eine Warnung an angehende Filmemacher:

Wir sind am 21. Oktober 2008 zu angeblichen Verhandlungszwecken aus dem Schneideraum ausgesperrt worden und konnten den Film in der Folge nicht mehr selber fertig stellen. Dies obwohl ‹Champions› ein klar deklarierter Autorenfilm ist, der mit fast 2 Millionen Franken Steuergelder gefördert wurde. Eine Mediation durch Drittpersonen wurde von den Mitproduzenten stoisch abgelehnt. Wahrscheinlich aus Mangel an Argumenten, die den Streit gerechtfertigt hätten. […] An Weihnachten 2008 hatte die Gegenseite überraschend angefangen, unseren Rohschnitt weiter zu schneiden, obwohl man abgemacht hatte, dass niemand solange man sich nicht geeinigt hatte, die Arbeiten weiter führt.

Wir betonen nochmals, nicht freiwillig aus diesem Projekt ausgestiegen zu sein. Mit diffamierenden Bemerkungen in der Tagespresse wurde versucht, die Wahrheit zu verdrehen. Die Gegenpartei verkündete der Welt, Signorell sei ausgeschieden, hätte alle im Stich gelassen, wäre schon auf dem Dreh unhaltbar gewesen und hätte ein unheimliches Chaos hinterlassen. In Tat und Wahrheit haben wir in Doppelschichten fast drei Monate Tag und Nacht am Film geschnitten, Trailer produziert, nochmals Sponsoren gefunden und waren auf gutem Weg, einen schönen Film fertig zu stellen.

Nach ein paar weiteren Monaten Streit und vielen leeren Briefen gewährte man mir nur noch die Möglichkeit, den Film in einer Rohfassung, ohne Musik und in schlechter Bildqualität anzusehen. Trotz gewünschter Begleitung durfte ich den Film ausschliesslich alleine in einer Anwaltskanzlei visionieren, um meine Credits zu bestätigen. Diese irritierende Vorführung hat mich dazu bewegt, den Credit ‹Ein Film von Riccardo Signorell› offiziell zurückzuziehen.

Nach einem letzten Versuch die Sache intern zu regeln, hat man den von uns vorgeschlagenen, selbstfinanzierten ‹Director’s Cut› abgelehnt. Und das alles, weil wir vor dem Auschluss aus dem Schneideraum einen Regievertrag und eine klare Regelung aller anderen Verträge, Beteiligungen etc. gefordert hatten? Ich habe den Film schliesslich vor einigen Tagen in Chur an einer Vorpremiere gesehen, zu der ich mich und Dayana allerdings selbst eingeladen hatte. Dort haben wir auch erfahren, dass sämtliche Credits von Dayana im Bereich Produzentin/Casting gestrichen wurden.

Richtig angefangen hatte jedoch alles, als wir uns nach dem ersten Hick-Hack für eine klare Trennung von der Firma Lichtspiele ausgesprochen hatten. Dies weil man mich mit angeblich langjährigen Partnerschafts-Verträgen unter Druck setzen wollte. Frei nach dem Prinzip; was Dein ist, ist auch mein, aber meines ist nicht Deine Angelegenheit. Plötzlich konnte sich mein Ex-Partner nicht mehr daran erinnern, mit mir eine Partnerschaft eingegangen zu sein. Sondern behauptete fortan, ich sei schon immer ‹nur› ein Angestellter der Firma Lichtspiele gewesen und solle mich doch jetzt in die von uns gegründete Firma einkaufen. Von einem ‹Gentlemen’s Agreement› wollte er nichts mehr wissen. Es folgten eine missbräuchliche Kündigung, Anwälte, Briefe, Sitzungen, Lohnzahlungsstopps und eine für uns existenzielle Notlage.

Wir haben die Herren […] ein ganzes Jahr nicht mehr gesehen. Zu den Verhandlungen schickte man vornehmlich Anwälte, denn man wollte sich weder die Finger schmutzig machen, noch der Wahrheit direkt ins Auge sehen. Würde ein einfacher Angestellter ohne Branchenverträge solche Aufwände überhaupt leisten wenn er nicht beteiligt wäre: Drehbuch schreiben, produzieren, Geld akquirieren, Regie führen, Verträge aushandeln, Artwork etc.

Anschliessend an diese Ausführungen folgt auch noch eine vernichtende Beurteilung des Films, an dessen Fertigstellung Signorell nicht mehr beteiligt sein durfte:

Zum Film selbst ist nicht mehr viel zu sagen. Schade eigentlich nach rund 4 Jahren Arbeit. Ein Crewmitglied hat nach einer der Visionierungen sehr treffende Worte formuliert: ‹Ein Rohschnitt. Jetzt könnte man eigentlich mit der Arbeit beginnen.› Dem habe ich fast nichts zuzufügen. Der Film hat ein grosses Stück Herz verloren, und noch viel mehr Fans. Was übrig bleibt, ist ein Stück Screenplay, der unermüdliche Einsatz der Schauspieler und der Crew, sowie ein schönes Stück Erinnerung an ein herrliches Arosa.

Der Film geht über sogenannte ‹Erzählleichen›, um diese 100 Minuten einzuhalten. Ich weiss nicht, aus welchem 80er Jahre Buch – ‹Wie macht man einen Unterhaltungsfilm› – dies unsere Lieblingsproduzenten abgeleitet haben. Wenn ein Film keine Emotion auslöst, sind 100 Minuten zum Schluss bloss eine Zahl. Charlie Chaplin bemerkte: ‹Filme haben einen einzigen Sinn – sie sollen Emotionen schaffen.›

Die Erzählung hält nie inne, die Figuren atmen nicht, man beweist kein Rhythmusgefühl für Tempo und Übergänge, verändert die Dramaturgie und von der Musik sprechen wir erst gar nicht. Ein mir unbekannter Komponist hat, mit seinem als Score verkleideten ‹Geklimmper›, diesem Film die letzte Würde ausgeblasen. Bedauerlich nachdem Gotthard, Züri West und weitere Alt-Rocker schon ihre Saiten gespannt hatten.

Da war mein Urteil noch ziemlich gnädig. Die Produzenten sind sich vermutlich sicher, richtig gehandelt zu haben. Da sich meine Einschätzung des Films weitgehend mit der Meinung des Regisseurs deckt, dürfte klar sein, dass ich anderer Ansicht bin. Ob Signorell tatsächlich einen besseren Film abgeliefert hätte, kann ich nicht beurteilen. Aber ich sehe wirklich nicht ein, wie eine Produktionsfirma ein Projekt mit einem Regisseur entwickelt, um ihn dann in der letzten und entscheidenden Phase vor die Tür zu stellen. Das ist einfach unerhört und führt zu grundlegenden Fragen.

Immerhin nähert sich die Schweizer Filmbranche durch solle Vorfälle immer stärker dem Vorbild Hollywood an, wo in den meisten Fällen die Regisseure lediglich Auftragsarbeiter sind und nicht wirklich über Mitspracherechte verfügen. Wenn nun aber auch in der Schweiz die vom Bund geförderten Filme primär auf Wirtschaftlichkeit getrimmt werden, dann müsste eigentlich die Filmförderung der Sektion Film aus dem Bundesamt für Kultur ausgelagert und im Bundesamt für Wirtschaft angesiedelt werden. Die Verwendung des Begriffs «Kultur» ist bei dieser Art der Filmproduktion nämlich nicht mehr angebracht.

Vermutlich sehen sich auch manche Produzenten in der Schweiz gerne in der Rolle eines David O. Selznick oder Louis B. Mayer. Doch die Filmproduktion in der Schweiz ist auf andere Qualitäten angewiesen. Die Filmförderung sollte in erster Linie dazu dienen, die Visionen von Filmemachern auf die Leinwand zu bringen. Die Produzenten von solchen Projekten müssten ganz im Dienst der Regisseure stehen. Kunst und Kommerz schliessen sich ganz bestimmt nicht aus. Aber wenn ein Produzent plötzlich der Ansicht sein sollte, einen rein durch die Einnahmen aus Kino, DVD und Fernsehen wirtschaftlich rentablen Film herstellen zu können, dann muss er konsequenterweise ganz auf die staatliche Unterstützung verzichten.

Auch der Bündner Rapper Gimma, von dem ursprünglich ein Lied hätte verwendet werden soll, hat sich übrigens bereits einen Teil seines Frusts über das gescheiterte Projekt von der Seele geschrieben.

Ein Kommentar to “Der verlorene Kampf um die «Champions» von Arosa”

  1. David says:

    Wow, Marco Rima. Ein Name, den ich schon sehr lange nicht mehr gehört habe. Macht Comedy bei uns und dreht Filme bei euch?

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