Fantoche 10: «Elemi» von Hideto Nataka

Hideto Nataka am Fantoche in Baden

Aus aller Welt waren diese Woche Animationsfilmer zu Gast am Fantoche in Baden. Einer davon war der aus Japan angereiste Regisseur Hideto Nakata. In seinem Trickfilm «Elemi» verliebt sich ein Telefonmast in einen Menschen.

Vergebens sucht Hideto Nakata in der Umgebung des Merker-Areals in Baden einen Telefonmasten, vor dem er sich könnte fotografieren lassen. Das Sujet würde passen. Die Haupt- und Titelrolle in seinem Animationsfilm «Elemi» spielt nämlich ein solcher Telefonmast, ein in Japan bisher noch üblicher, aber ebenfalls langsam verschwindender Bestandteil des Strassenbilds.

Der Telefonmast in «Elemi» ist weiblich, fühlt sich ein wenig einsam und ist vor allem defekt. Repariert wird sie vom Mechaniker Takahasi, dem sie anschliessend ein wenig zu tief in die Augen blickt. Sofort verliebt sie sich in ihn und meldet sich bei ihm per Telefon. Die übrigen Gerätschaften in der Umgebung sind vom ungebührlichen Verhalten von Elemi entsetzt: Wie kann sie sich bloss in einen Menschen verlieben?

In einen Telefonmasten hat sich der japanische Regisseur Hideto Nakata noch nie verliebt, wie er im Gespräch verrät. Die Idee zum Film stammt von seinem Studienfreund Hideki Inoue. Der auch in Japan wenig bekannte Autor habe eines abends in leicht angetrunkemen Zustand einen Anruf von einer Frau erhalten, die sich in ebenfalls leicht angeheiterter Verfassung verwählt hatte. Als Inuoe vor dem Fenster einen Telefonmasten erblickte, stellte er sich vor, dass es sich dabei um die Frau am Telefon handelt.

«Elemi»

Produziert hat Hideto Nakata den Film völlig unabhängig. Während die grossen Studios wie etwa Ghibli vor allem populäre Unterhaltungsfilme produzieren und die Kunstfilme sich für gewöhnlich stark davon abgrenzen, versuchte Nakata mit seinem Film einen Kompromiss zwischen den beiden Formen einzugehen, um eine Brücke zu bauen. Die Produktionskosten von 7 Millionen Yen (ungefähr 85’000 Schweizer Franken) hat er durch spätere Subventionen und Preise wieder «einspielen» können.

Ein wenig überrascht berichtet Nakata von der stürmischen Reaktion des Fantoche-Publikums auf seinen Film. Die beiden Vorstellungen sind ausverkauft, der Applaus aus seiner Sicht jeweils lang und laut. In Japan haben einige Personen zwar geweint, aber abgesehen davon seien die Reaktionen viel diskreter ausgefallen. Auch sonst gefällt Nakata das Festival in Baden. Mehrmals betont die Übersetzerin Sachiko Aritake Straub, wie begeistert der Regisseur sei. Nakata finde es positiv, wie die Stadt das Festival unterstützt. Zudem spüre er die Wärme des Publikums.

Nach der Vorstellung am Samstag erzählte Nakata in der Sonderveranstaltung «Making of» von der Entstehung des 45-minütigen Werks. Acht Jahre hat er daran gearbeitet. Die im Film eingesetzte Technik der Stop-Motion hat er sich selbst beigebracht. Langweilig sei es ihm und seinen drei ebenso unerfahrenen Mitarbeitern daher nie geworden. Dafür ist zu Beginn noch vieles schiefgelaufen. Damit ihm das Projekt nie verleidet, habe er sich bemüht, nie zu viel, aber auch nie zu wenig motiviert zu sein. Der Antrieb bestand immer im Wunsch, den fertigen Film zu sehen.

Die im Film verwendeten Figuren hat Hideto leider nicht nach Baden mitbringen können, weil sie eben noch in einer Ausstellung in Osaka zu sehen waren. Dafür hat er die Herstellung des Films durch zahlreiche kurze Videos dokumentiert. Zudem wünscht sich der Regisseur, das «Elemi» auch in weiteren Schweizer Kinos gezeigt wird und er die Ausstellung dann auch hier präsentieren kann.

Nakata hat bereits Pläne für weitere Projekte. Drei Ideen für je ungefähr fünf Minuten lange Filme hat er in seinem Kopf. Länger sollen sie nicht sein, denn noch einmal möchte er nicht acht Jahre an einem einzigen Film arbeiten. Obschon sich seine Technik verbessert hat, sinkt dadurch der Aufwand nicht, denn mit der Erfahrung steigt auch der Anspruch. Und der nächste Film soll auf keinen Fall ein Liebesfilm sein. Er kann sich zwar vorstellen, wieder eine romantische Geschichte zu erzählen, aber nur, wenn er dafür einen Auftrag erhält.

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