«The Tourist» von Florian Henckel von Donnersmarck

Angelina Jolie und Johnny Depp in «The Tourist»

You tell me what my story is.

Gleich der erste Spielfilm des deutschen Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck («Das Leben der Anderen») wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Für sein Hollywood-Debüt wird er nicht die gleichen Ehrungen erhalten. Zu beliebig werden in «The Tourist» verschiedene Genres vermischt, zu zufällig ist die Handlung. Der Unterhaltungswert ist aber dafür sehr hoch. Es ist ein Vergnügen, wie Angelina Jolie und Johnny Depp in diesem humorvollen Agenten-Thriller durch Venedig gehetzt werden.

Elise Ward (Angelina Jolie, «Salt», «Alexander») steht in Paris unter enger Überwachung durch die Polizei. Der Interpol-Kommissar John Acheson (Paul Bettany) hat es nämlich auf ihren mysteriösen Freund Alexander Pierce abgesehen, der dem Gangster-Boss Reginald Shaw (Steven Berkoff) ein paar Millarden Pfund gestohlen hat und deshalb der britischen Regierung ungefähr 774 Millionen Pfund Steuern schuldet. Da erhält Elise einen Brief von Alexander Pierce, in dem sie aufgefordert wird, nach Venedig zu reisen und unterwegs einen Mann von ähnlicher Statur anzufreunden, den die Polizei für Pierce halten könnte. Der hatte nämlich durch plastische Chirurgie sein Aussehen verändern lassen.

Im Zug nach Venedig trifft Elise in der zweiten Klasse auf den unscheinbaren Mathe-Lehrer Frank Tupelo (Johnny Depp, «Alice in Wonderland», «Pirates of the Caribbean») aus Wisconsin, der gerade an seiner elektrischen Zigarette zieht und in den Thriller «The Berlin Vendetta» von Charles Torbett vertieft ist. Das ideale Opfer. Er ist natürlich sofort hingerissen von der umwerfenden Schönheit, obschon er nicht gerade über den Charme verfügt, um sie zu begeistern. Das hindert sie nicht daran, ihn ins luxuriöse Hotel Danieli einzuladen. Schlafen muss er allerdings auf dem Sofa. Am nächsten Morgen ist die schöne Elise spurlos verschwunden. Dafür dringen russische Verbrecher ins Zimmer ein und verfolgen Frank über die Dächer von Venedig.

Johnny Depp und Angelina Jolie in «The Tourist»

Das Hollywood-Debüt von Florian Henckel von Donnersmarck ist eine Hochglanz-Produktion mit Starbesetzung. Am Drehbuch, das auf den französischen Film «Anthony Zimmer» basiert, hat niemand geringeres als Christopher McQuarrie («Valkyrie») mitgearbeitet, der schon mit «The Usual Suspects» ein ähnliches Verwirrspiel abgeliefert hat. Doch wer sich zu stark auf die zu erwartenden überraschende Wendung am Ende konzentriert, wird kaum viel Freude am Film haben. Der Twist ist nämlich ziemlich nebensächlich. So wenig wie der Genuss von «The Usual Suspects» im Grunde davon abhängt, wer nun eigentlich Kayser Soze ist, so wenig interessiert in «The Tourist», ob es sich bei Alexander Pierce um den immer wieder einmal verdächtig auftauchenden Rufus Sewell («Hamlet», «The Illusionist») oder um eine andere Person handelt. «The Tourist» bietet ganz andere Reize.

Die Schönheit der Stadt ist sicherlich nicht der geringste Grund, weshalb «The Tourist» in Venedig spielt. Die ganze Inszenierung ist auf die unübertreffliche Ästhetik in der Lagunenstadt ausgelegt, und wenn Jolie und Depp dann in einem eleganten Ballsaal einen Tanz auf Parkett legen, dann kann die Rahmenhandlung sowieso gleich einmal vergessen werden. Bei der Umsetzung des Drehbuchs von Henckel von Donnersmarck, McQuarrie und Julian Fellowes («Gosford Park», «The Young Victoria») wird die Geschichte zwar flüssig vorangetrieben, aber ebenso viel Wert wird auf schwelgende Momente und komische Einlagen gelegt. Da erklärt Elise schmunzelnd, wie sich schöne Frauen einen Mann wünschen («Women don’t like questions»), Frank versucht sich überall mit spanischen Wortfetzen zu verständigen und selbst nachdem er verhaftet wird, bleibt noch Zeit für einige Scherze mit dem lokalen Kommissar.

Angelina Jolie in «The Tourist»

Packende Verfolgungsjagden sind auch noch einige engestreut. Doch «The Tourist» ist in erster Linie ein Augenschmaus. «The Tourist» ist durch die Uneinheitlichkeit der Bestandteile nicht wirklich hochstehende Unterhaltung, dafür aber äusserst kurzweilig und köstlich. Als Frank von Elise am Flughafen deponiert wird, flüstert er ihr noch leise und wehmütig nach: «But I’m in love with you». Dazu stimmt Katie Melua das ebenfalls leicht melancholische Lied «No Fear of Heights» an. Wie viel Wert auf die Oberfläche gelegt wird, lässt sicherlich das Bild von Angelina Jolie im verführerisch vornehmen Abendkleid erkennen. Doch auch in den Dialogen ist die Konzentration auf das Aussehen auffällig. Köstlich ist in dieser Hinsicht die Bemerkung: «20 million Dollars for plastic surgery and that’s the face you choose?!»

Fazit: Wer einen tiefgründigen Agenten-Thriller erwartet, wird von «The Tourist» enttäuscht sein, wer sich gerne von der glänzenden Welt und den schönen Personen blenden lässt wird vorzüglich unterhalten.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © Frenetic Films)

Ein Kommentar to “«The Tourist» von Florian Henckel von Donnersmarck”

  1. Peter says:

    Was ist bloss mit Florian Henckel von Donnersmarck passiert? «The Tourist» fehlt so ziemlich alles, was mich bei «Das Leben der Anderen» beeindruckt hat, ganz besonders eine raffinierte Story. Hier plätschert alles nur dahin, die Schlusspointe ist früh absehbar, und zwischen Jolie und Depp entsteht nicht nur keine Chemie, sie wirken auch total unterfordert. Man kann nur hoffen, dass sich Henckel von Donnersmarck in seinem nächsten Film deutlich steigert, sonst könnte er als «One Hit Wonder» in die Geschichte der Filmregie eingehen.

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