«Clerks.» von Kevin Smith (Blu-ray)

Jeff Anderson und Brian O'Halloran in «Clerks.»

This job would be great if it wasn’t for the fucking customers.

Wenn eine Karriere mit einem Höhepunkt beginnt, dann kann das beflügelnd sein – oder auch lähmend. Bestes Beispiel für den zweiten Fall ist Regisseur und Drehbuchautor Kevin Smith, der irgendwie den phänomenalen Erfolg von «Clerks.» bis heute nicht richtig überwunden hat. Nach abgebrochener Ausbildung an der Filmschule von Vancouver drehte er im Sommer 1993 mit beschränkten Mitteln (27’000 Dollar durch überzogene Kreditkarten und von Freunden geborgtes Geld) dieses Meisterwerk der Gegenwartskultur, das jetzt auch auf Blu-ray-Disc erhältlich ist.

Der Film spielt an einem einzigen Tag im Leben der beiden Hauptfiguren. Dante Hicks (Brian O’Halloran) und Randal Graves (Jeff Anderson) sind zwei gut 20 Jahre alte Männer, die ohne fertige Schulausbildung ihr Auskommen in einem kleinen Einkaufsladen und einer schäbigen Videothek verdienen. Dante ist an diesem Tag nur eingesprungen, weil ein Kollege ausgefallen ist. Sein Mantra für den Tag: «I’m not even supposed to be here today.» Seine Aufgaben führt er jedoch ziemlich pflichtbewusst aus. Bis Randal eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit erscheint.

Für den auf Pornos fixierten Randal sind die Kunden lediglich ein Ärgernis in seinem Alltag hinter der Theke des Videoladens. Wenn er gewusst hätte, dass Dante an diesem Tag arbeitet, wäre er noch ein weniger später aufgetaucht. Zusammen plaudern und lästern die beiden über Filme («All <Jedi> had was a bunch of muppets.»), Kunden, Freundinnen und Kollegen. Randal bringt Dante sogar dazu, am Nachmittag den Laden zu schliessen, um auf dem Dach Hockey zu spielen. Und dann steht auch der Besuch der Totenwache einer ehemaligen Schulkollegin und Freundin von Dante auf dem Programm.

Brian O'Halloran und Marilyn Ghigliotti in «Clerks.»

«Clerks.» lebt primär von den Gesprächen zwischen Dante, Randal und den diversen Besuchern. Die Dialoge von Kevin Smith reichen von haarsträubenden Profanitäten bis hin zu sorgfältig beobachteten Alltagsphilosophien. Er war selber als Angestellter im Laden Quick Stop beschäftigt, wo der Film nach Ladenschluss entstanden ist, und hat in seinen Figuren einfach die Menschen aus seiner eigenen Erfahrung verewigt. Neben lauten Tönen ist auch immer wieder ausreichend Platz für nuancierte Feststellungen. Dante zu Randal: «You hate people!» Randal: «But I love gatherings. Isn’t it ironic?»

Besonders offen zeigt sich Smith gegenüber dem Privatleben der Figuren, die unverschämt ungeschminkt über ihr Sexleben sprechen und dabei manchmal selbst ziemlich entsetzt sind. Schockiert muss sich Dante anhören, dass seine Freundin vor ihm bereits 36 Männer mit Oralsex befriedigt hat. Sie bezeichnete ihn als Schwein, weil sie seine 12. Geschlechtspartnerin ist. So werden die unterschiedlichen Normen in Beziehungen aufgedeckt. Wenig schmeichelhaft stellte Randal zuvor fest, dass es für Frauen keine besondere Leistung ist, wenn Männer einen Orgasmus haben:

Dante: «Women as lovers are basically the same. You just have to be there.»
Veronica: «Be there?»
Dante: «Making a male climax isn’t at all challenging. Insert somewhere close, preferably moist, thrust, repeat.»
Veronica: «How flattering.»
Dante: «Now, making a woman come, therein lies a challenge.»
Veronica. «You think so?»
Dante: «A woman makes a guy come, it’s standard. A guy makes a woman come, it’s talent.»

Sexistisch? Vielleicht. Aber vermutlich höchstens für militante Feministinnen (wenn überhaupt) und Menschen, die aus Überzeugung keinen Sex haben.

Jason Mewes und Kevin Smith in «Clerks.»

Das Regiedebüt von Kevin Smith führte auch eines der aussergewöhnlichsten Leinwand-Duos in die Filmgeschichte ein, Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith). Die beiden vor dem Laden rumhängenden Taugenichtse erwiesen sich als derart populär, dass ihre Rollen in den nachfolgenden Filmen immer stärker ausgebaut wurden. Im Audiokommentar verrät Smith auch, wieso Silent Bob am Schluss doch noch einen Satz sagt: Jason Mewes habe sich vor der Aufnahme aus Nervosität ein wenig zuviel Alkohol gegönnt, so dass Smith die wesentliche Aussage formulieren musste.

Hervorgehoben werden zwar auch von mir immer wieder die vorzüglichen Dialoge von Kevin Smith, aber auch die Optik von «Clerks.» ist nicht zu verachten. Auch wenn viele Szenen aus einer einzigen Einstellung bestehen, so wurden sie zumindest klug ausgewählt. Zwischendurch folgen aber auch wirkliche Schnittfolgen, für die Smith und Produzent Scott Mosier verantwortlich sind. Dadurch ist «Clerks.» mehr als nur eine blosse Ansammlung von cleveren Dialogen, sondern ein witziges, berührendes und auch ästhetisch ansprechendes Kunstwerk.

Die ultimative DVD-Box für wahre «Clerks.»-Enthusiasten ist die «10th Anniversary Edition» aus den USA. Neben dem Film mit Audiokommentar, einer «verlorenen» Szene, einem Kurzfilm und Musikvideo ist auf zwei weiteren DVDs die fast vollständige Geschichte von «Clerks.» dokumentiert. Auf Disc 2 ist die ursprüngliche Fassung mit Audiokommentar enthalten. Auf Disc 3 verfolgt der 90-minütige Bericht «Snowball Effect» die Entstehung von «Clerks.» bis in die Kindheit von Smith zurück. Die Reaktion seiner Mutter, nachdem sie den Film gesehen hatte: «And you spent 27’000 Dollars on this piece of garbage?!»

Zudem ist auf Disc 3 auch «Mae Day: The Crumbling of a Documentary» enthalten, der ironische Studentenfilm, den Smith und Mosier an der Filmschule von Vancouver realisiert haben. Wie bei allen Filmen von Kevin Smith sind aber vor allem die beiden Audiokommentare empfehlenswert, auf denen Smith meist von zahlreichen Beteiligten begleitet wird und vollkommen unverblümt von den Dreharbeiten berichtet. Andere Filmemacher und Schauspieler klopfen sich gerne gegenseitig auf den Rücken und reden selbst die gröbsten Fehler schön. Smith sagt hingegen offen heraus, wenn er mit einem Schauspieler Krach hatte, nennt auch die Namen und geht auch auf die schwächeren Aspekte seiner Filme ein. Einfach erfrischend ehrlich. Die deutsche DVD enthält das Bonusmaterial von der ersten Disc aus dieser Box.

Auf der im Dezember 2009 erschienenen Blu-ray-Disc ist praktisch das gesamte Bonusmaterial der «10th Anniversary Edition» enthalten. Einfach ohne das Beiheft. Fragt sich nur noch, ob sich ein solch billig produzierter Film überhaupt für Blu-ray-Disc eignet? Macht er also. Das Bild ist wunderbar körnig und abgesehen von den leichten Verunreinigungen, die auch der DVD zu sehen sind, ist die Bildqualität hervorragend. Auch die Tonspur hört sich sauber an, und vor allem die Musik erklingt sehr dynamisch über die einzelnen Kanäle. Da ist es eigentlich klar, dass ich nur eine klare Kaufempfehlung abgeben kann.

Bewertung: 6 Sterne
Bild-/Tonqualität (10th Anniversary Edition/Blu-ray): 6 Sterne
Bonusmaterial (10th Anniversary Edition
/Blu-ray): 6 Sterne

(Bilder: ©Walt Disney Studios Home Entertainment)

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