Fantoche 10: «Kerity, la maison des contes»

«Kerity, la maison des contes»

N’oublie jamais ceci: Il est une chose qui réuni les hommes sur cette terre, c’est que jamais personne ne peut vivre sans rêves.

Der Schwerpunkt von Fantoche ist in diesem Jahr den Märchen gewidmet. Aus diesem Grund sind einige ältere Märchenfilme zu sehen, aber auch einige aktuelle Langfilme setzen sich mit dem Thema auseinander. So spielen Märchen eine zentrale Rolle im französischen Kinderfilm «Kerity, la maison des contes», in dem ein Junge entdeckt, dass die Fantasiewelten in Wirklichkeit realer sind, als er sich das vorgestellt hat.

Natanaël wird bald sieben Jahre alt, doch lesen kann er noch nicht richtig. Seine ältere Schwester Angélica hänselt ihn deswegen. Sie verbringen die Sommerferien mit ihren Eltern an der Küste der Bretagne im Haus der eben erst verstorbenen Tante Eléonore (Stimme von Jeanne Moreau). An sie hat Natanaël noch wunderbare Erinnerungen, weil sie ihm ständig Märchen vorgelesen hat. Jetzt muss er ohne sie auskommen. Doch Eléonore hat den Kindern ein letztes Geschenk vermacht. Angélica erhält eine Puppe, Natanaël den Schlüssel zu einem geheimnisvollen Zimmer. Ein wenig enttäuscht stellt er fest, dass sich darin nur Bücher befinden.

Doch wie Natanaël bald feststellen müssen, haben die Bücher ein Eigenleben. Weil es sich ausschliesslich um Erstausgaben handelt, steigen aus ihnen die darin vorkommenden Figuren wie Alice, Schneewittchen, Rotkäppchen und der gar nicht so böse Wolf, Pinocchio oder auch ein hungriger Oger. Sie versprechen sich von Natanaël die Erlösung. Er muss nämlich den Zauberspruch «Ce n’est pas parce que c’est inventé que ça n’existe pas» (nur weil es erfunden ist, bedeutet das nicht, das es nicht existiert) vorlesen, sonst verschwinden die Märchen für ewig aus dem Gedächtnis der Menschheit. Zu dumm, dass Natanaël nicht gut genug lesen kann.

«Kerity, la maison des contes»

Besonders viele Überraschungen hat der Film von Regisseur Dominique Monfery nicht zu bieten. Der Junge mit einer Schwäche muss sich auf ein Abenteuer begeben und überwindet dabei natürlich alle Hindernisse. Auch sonst werden einige Klischees zu viel verwendet. So gelingt die Rettung in allerletzter Sekunde (in der Inszenierung zudem ziemlich ähnlich wie diesen Sommer auch schon in «Shrek Forever After»), und der begeisterte Applaus am Schluss wird durch das einsame, langsame Klatschen einer einzelnen Figur gestartet. Bei solchen Szenen beneide ich das jugendliche Publikum, das sich noch völlig unbelastet daran erfreuen kann.

Abgesehen von solchen nicht gerade durch ihren Einfallsreichtum berauschenden Szenen kann aber «Kerity, la maison des contes» durchaus auch Erwachsene bezaubern. Die Handlung wird munter vorangetrieben und enthält durch die bekannten Figuren zahlreiche witzige Momente. Da erschrickt zum Beispiel Captain Hook, als er das Ticken einer Uhr hört und an der Wand einen Schatten sieht, der wie ein Krokodil aussieht. Dabei ist es nur das weisse Kaninchen aus «Alice in Wonderland». Und Pinocchio muss sich schwer bemühen, seine Nase nicht wachsen zu lassen, nachdem er Natanaël eine Notlüge angedreht hat.

Die ganz grosse Stärke von «Kerity, la maison des contes» liegt allerdings ganz klar auf der visuellen Ebene. Die Gestaltung der Fantasiewelt kann in jeder Einstellung verzücken. Die Filmemacher haben dafür eine stimmungsvolle Kombination von Hand- und Computer-Animation angewendet und vor allem betörende Kulissen erschaffen.

Fazit: «Kerity, la maison des contes» ist ein kurzweiliges und liebevolles Märchen für die ganze Familie.

Bewertung: 5 Sterne

(Bilder: © Gaumont-Alphanim, La Fabrique, Lanterna Magica)

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