«Red Cliff» von John Woo

Takeshi Kaneshiro in «Red Cliff»

Jedes Schwert muss irgendwann aus der Scheide gezogen werden.

Ende der 90er-Jahre inszenierte Hongkong-Regielegende John Woo mit «Face/Off» und «Mission: Impossible III» zwei Blockbuster in den USA. Danach konnte er die Erfolge jedoch nicht mehr wiederholen. Für das opulente Kriegsepos «Red Cliff» («Chi bi») kehrte er dann nach China zurück. Bildgewaltig erzählt er darin von einer historischen Schlacht aus der Zeit der Drei Reiche.

Der Film spielt im Jahr 208 n. Chr., am Ende der späten Han-Dynastie. Cao Cao (Zhang Fengyi), der mächtige Kanzler des jungen Kaisers Han Xiandi, hat die Kriegsherren des Nordens unterworfen. Jetzt sollen die Königreiche Shu im Westen sowie Wu im Süden fallen. Cao Cao überredet den Regenten, beiden Reichen den Krieg zu erklären. Mit über 800’000 Soldaten rückt Cao Cao gegen Shu und dessen Regenten Liu Bei (You Yong) vor.

Um das flüchtende Volk zu schützen, lässt Kongming (Takeshi Kaneshiro), der militärische Stratege Liu Beis, die königlichen Truppen gegen den übermächtigen Feind aufstellen. Eine Zeit lang halten sie dem Druck stand, doch die Niederlage kann nicht abgewendet werden. Kongming sieht nur einen Weg, den Untergang zu verhindern: Eine Allianz mit Sun Quan (Chang Chen), dem Regenten des südlichen Königreichs Wu. Eine Allianz, die von Cao Cao nicht gefürchtet wird. Was könnten ein Feigling wie Liu Bei und ein Emporkömmling wie Sun Quan gegen ihn schon ausrichten?

Tony Leung in «Red Cliff»

Kongming findet in Sun Quans Vizekönig Zhou Yu (Tony Leung) einen Verbündeten und damit einen Weg, den zögernden König auf seine Seite zu ziehen. Zhou Yu bereitet in seinem Lager am Red Cliff, am Roten Felsen, seine Elitetruppen auf das Unausweichliche vor. Auch seine Frau Xiao Qiao (Chiling Lin) weiss, dass der Krieg unvermeidbar ist. Sie ist Cao Cao einmal in ihrer Jugend begegnet. Seither schwärmt Cao Cao von ihrer Schönheit und will sie unbedingt besitzen.

Cao Cao treibt seine Flotte auf Red Cliff zu, geht auf der anderen Seite des Flusses vor Anker und lässt eine mächtige Festung im Rücken der Schiffe errichten. Eine ausbrechende Typhus-Epidemie nützt der Kanzler des Kaisers aus. Statt die Toten zu verbrennen, schickt er die Leichen über den Fluss ins Lager der Allianz. Das Bündnis scheint auseinander zu brechen und steht wegen Mangel an Waffen vor einer vernichtenden Niederlage. Doch Kongming und Zhou Yu haben verschiedene Pläne, um sich trotzdem Vorteile zu verschaffen.

Zhang Fengyi und Chiling Lin in «Red Cliff»

In einigen Szenen führt Woo eindrücklich die Kampfkunst und Strategie der Armeen vor. Manchmal geht aber im Nahkampf die Übersichtlichkeit verloren. Bei Woo war es noch nie besonders wichtig, wer gerade wen niedermetzelt. Hauptsache das Ballett der Gewalt ist ansprechend visuell umgesetzt. Das ist auch in «Red Cliff» der Fall. Das Motto der Krieger könnte «in Schönheit sterben» lauten. Wie von Woo gewohnt wird in den Kampfszenen die Schönheit der Bewegung höher gewichtet als die Gesetze der Schwerkraft. Dabei fliegen die Protagonisten nicht wirklichwie in anderen asiatischen Kampffilmen durch die Luft, sondern bewegen sich einfach schwerelos über und durch die Gegner.

Woo erreicht zwar selten die Eleganz und Tiefgründigkeit von «Crouching Tiger, Hidden Dragon» oder «Hero», aber sein Epos lässt sich dennoch in seiner vollen Übertreibung von Sentimentalität und Patriotismus geniessen. Bei aller Ernsthaftigkeit ist auch leichte Ironie enthalten. Am Schluss wird der Ausgang des Kriegs nicht von der Kampfkraft der gegnerischen Parteien, sondern durch die Kunst der Teezubereitung und die Launenhaftigkeit des Wetters entschieden. Ein doppelter Regenbogen weist am Ende Kongming, Zhou Yu und seiner schwangeren Frau den Weg in eine friedlichere Zukunft.

Immer wieder durchdringen auch chinesische Weisheiten und Philosophie die Handlung. «Was für einen Sinn hat der Krieg, wenn wir die Zivilisten nicht beschützen,» fragt Kongming an einer Stelle. Kongming und Zhou Yu müssen gar nicht wortreich verhandeln, sie greifen zu Musikinstrumenten und verständigen sich über den Einklang in ihrem Spiel. Weitere Metaphern weisen auf den unausweichlichen und vernichtenden Krieg hin, beispielsweise eine blendende Klinge oder der wegen Regen verlaufende Schriftzug «Friede». Selbstverständlich fehlen auch die von Woo geliebten weissen Tauben nicht. Eine davon wird sogar als Botin zwischen den Lagern eingesetzt und bietet durch ihren Flug eine eindrückliche Übersicht der feindlichen Lager.

Im asiatischen Markt kam das Werk in zwei je 140-minütigen Teilen in die Kinos. Für den Rest der Welt hat Woo den Film auf eine gut halb so lange Fassung gekürzt. Gut möglich, dass dadurch einige Übergänge etwas abrupt erfolgen und einige Zusammenhänge etwas gar knapp erklärt werden.

Fazit: «Red Cliff» ist ein gigantisches Kriegsepos, das in erster Linie durch seine schwerelose Ästhetik und verblüffende Kampfszenen begeistert.

Bewertung: 5 Sterne

(Bild: ©Ascot Elite)

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