«Inside Out» von Pete Docter

Take her to the moon for me, Joy.

Für lange Zeit waren die Pixar Animation Studios in Hollywood die Vorreiter bezüglich Kreativität. Selbst Fortsetzungen wie «Toy Story 2» oder «Toy Story 3» übertrafen die Konkurrenz an Einfallsreichtum. Doch in den letzten Jahren folgte eine wenig inspirierte Produktion, die lediglich eine Variation von bekannten Disney-Themen beinhaltete («Brave») und lieblose Fortsetzungen («Cars 2», «Monsters University») liessen Zweifel aufkommen, ob Pixar weiterhin in der Lage ist, erstaunliche und verblüffende Geschichten zu erzählen. Mit «Inside Out» knüpft nun aber Regisseur Pete Docter direkt an seinen Erfolg von «Up» an.

In «Inside Out» wird die Geschichte von Riley und den Gefühlen in ihrem Kopf erzählt. Riley (Stimme von Kaitlyn Dias) ist ein junges Mädchen, das in einer ländlichen Region von Minnesota aufgewachsen ist, jetzt aber mit Mutter (Diane Lane) und Vater (Kyle MacLachlan) nach San Francisco umgezogen ist. Ihre Kindheit war geprägt von fröhlichen Erlebnissen, was dazu geführt hat, dass vor allem die Freude (Stimme von Amy Poehler) ihr vorherrschendes Gefühl ist. In Rileys Kopf ist die Freude als leicht hyperaktive, blauhaarige Gestalt damit beschäftigt, die vier anderen wichtigen Emotionen unter Kontrolle zu halten. Traurigkeit (Phyllis Smith), Furcht (Bill Hader), Wut (Lewis Black) und Ekel (Mindy Kaling) sind zwar ebenfalls von Bedeutung, doch die meisten abgelegten Erinnerungen in Form von Glaskugeln leuchten golden.

Der Umzug in die neue Umgebung und die damit verbundenen Probleme (der Vater ist mit seiner Arbeit beschäftigt, die vertrauten Gegenstände sind noch nicht eingetroffen und die Schulkollegen sind unbekannt) bringen jedoch die Ordnung im Kopf von Riley durcheinander. Traurigkeit, Furcht, Wut und Ekel mischen sich immer mehr ein, und als Traurigkeit eine zentralen Erinnerungen, die Riley eigentlich aufheitern sollen, berührt, dringen die traurigen Aspekte dieser Momente stärker durch. Durch ein Unglück werden zudem Freude und Traurigkeit aus der Schaltzentrale des Gehirns gesogen. Sie landen in den Lagerhallen der Erinnerungen und müssen den Rückweg in die Schaltzentrale finden, bevor die positiven Charaktereigenschaften von Riley in Form von Inseln für immer verschwinden. Auf dem Weg hilft auch Bing Bong (Richard Kind), der frühere imaginative Freund von Riley.

«Inside Out» bietet ein wahres Feuerwerk an kuriosen Einfällen und grandiosen Erklärungen für die Geheimnisse der Persönlichkeitsentwicklung und die Vorgänge im Gehirn. Wirklich wissenschaftlich sind die Zusammenhänge natürlich nicht geschildert und wieso nur gerade fünf Emotionen für die Steuerung von Riley zuständig sind, lässt sich nicht wirklich erklären. Vergnüglich und faszinierend ist die Geschichte aber allemal. So sorgen etwa zwei Aufräumarbeiter in den Lagerhallen der Erinnerungen dafür, dass die Namen von einigen Präsidenten vergessen werden und dagegen aber die Erkennungsmelodie einer Werbung immer wieder in Erinnerung gerufen wird. Ein «Train of Thought» rast durch die Gegend, und in der Mitte des Gehirns ist eine riesige Müllhalde, in der die nicht mehr benötigten bzw. nicht mehr verwendeten Erinnerungen langsam zu Staub zerfallen. Ausserdem nehmen Freude, Traurigkeit und Bing Bong einmal eine Abkürzung durch das Gebäude des abstrakten Denkens. Dabei durchlaufen sie die vier Phasen von nichtgegenständlicher Abstraktion, Dekonstruktion, Zweidimensionalisierung und schliesslich Abstraktion. Der Vorgang lässt sich an Genialität kaum übertreffen.

Die Ereignisse im Gehirn decken jedoch nur einen Aspekt des Films ab, der sich ebenso sehr damit auseinandersetzt, welche komplexen Auswirkungen die Veränderungen der Psyche von Riley auf ihr tägliches Leben und die Interaktionen mit ihren Mitmenschen haben. Die verschiedenen äusseren Einflüsse führen nicht nur zu Prozessen im Gehirn, sondern führen wiederum zu Reaktionen in der realen Welt. Als Riley sich beispielsweise in der neuen Klasse vorstellen muss, gelingt es ihr zwar noch fröhliche Erinnerungen abzurufen, was aber wiederum dazu führt, dass sie Heimweh bekommt und zu weinen beginnt. Der Eindruck auf die Klasse ist natürlich verheerend und führt zu einer weiteren Isolation der bereits eingeschüchterten Riley. «Inside Out» schildert diese subtilen Wechselwirkungen nachvollziehbar und führt langsam hin zu einer beinahen Eskalation der scheinbar ausweglosen Situation. Aber selbstverständlich gibt es auch in einem Pixar-Film immer ein glückliches Ende.

Fazit: Beim erfrischenden Blick hinter die Vorgänge im Gehirn und den Einflüssen von Gefühlen auf die Persönlichkeit bietet «Inside Out» eine mitreissend wechselvolle Achterbahnfahrt der Gefühle.

Bewertung: 6 Sterne

(Bilder: © The Walt Disney Company Switzerland/Pixar Animation Studios. All Rights Reserved.)

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