«Dumbo» von Ben Sharpsteen (Blu-ray)

«Dumbo»

Don’t look now, but I think we’re up in a tree.

Wie lernt ein Elefant fliegen? Durch Alkohol, eine magische Feder und einen Schubser von einer Felsklippe. Das sind zumindest die Zutaten zur ersten Flugstunde der Titelfigur aus dem Zeichentrickfilm «Dumbo» von Walt Disney und seinem Regisseur Ben Sharpsteen. Irgendwie ist die Geschichte vom kleinen Elefanten mit den gigantischen Ohren eine der wenigen Disney-Produktionen, für die ich mich nie wirklich begeistern konnte. Das Bonusmaterial auf der Blu-ray-Disc hat mir die Erklärung dafür geliefert.

Nachdem ein Zirkus aus dem Winterquartier aufgebrochen ist, erhält Mrs. Jumbo endlich noch ihren Nachwuchs. Doch wie sich herausstellt hat Jumbo Jr. selbst für einen Elefanten überdimensionale Ohren. Die übrigen Dickhäuter sind entsetzt und nennen den Nachwuchs spöttisch Dumbo. Als die Besucher des Zirkus den kleinen Dumbo auslachen und quälen, rastet seine Mutter aus und wird von den übrigen Tieren und ihrem Sprössling getrennt. Doch die Zirkusmaus Timothy Q. Mouse (Stimme von Edward Brophy) hat bereits eine Lösung: Dumbo soll eine gewagte Zirkusnummer der Elefanten krönen und durch den auf diese Weise erlangten Ruhm seine Mutter aus der Einzelhaft befreien.

Doch die Pyramide der Elefanten wird durch Dumbo lediglich aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Plan scheitert also ordentlich. Der traurige Elefanten-Junge muss fortan den Auftritt der Clowns verstärken. Da trinkt er eines Abends versehentlich aus einem Wasserkübel, in den eine Champagner-Flasche gefallen ist. Dumbo und Timothy sehen eine Parade von rosa Elefanten («Technicolor pachyderms») und wachen am nächsten Morgen auf einem Baum auf. Da sind nicht nur die vergnügten Krähen, sondern auch Dumbo und Timothy ordentlich überrascht.

«Dumbo»

Die Geschichte ist so simpel wie die Inszenierung. Nach Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs in Europa konnte Walt Disney den Erfolg von «Snow White and the Seven Dwarfs» mit den nachfolgenden Produktionen «Pinocchio» und «Fantasia» nicht wiederholen. Wie Zeichner Wolfgang Reitherman (später Regisseur von «The Jungle Book») im Bonusmaterial der Blu-ray-Disc erklärt, kamen ungefähr 40 Prozent der Einnahmen aus Europa. Da Disney gleichzeitig ein neues Studio bauen liess, geriet er deshalb doppelt unter finanziellen Druck. Daher wurde gleichzeitig mit der Prestige-Produktion «Bambi» mit möglichst wenig Aufwand auch noch «Dumbo» verfilmt.

Obschon auch «Dumbo» makellos animiert ist, sind die Sparmassnahmen dennoch deutlich sichtbar. Enthalten «Snow White and the Seven Dwarfs», «Pinocchio» und «Fantasia» zahlreiche spektakuläre Szenen, für die teilweise neue Techniken entwickelt oder perfektioniert wurden, beschränkten sich die für «Dumbo» zuständigen Zeichner der alten Garde hauptsächlich auf die angestammten Fähigkeiten aus den Cartoon-Zeiten. So überrascht es auch nicht weiter, wenn «Dumbo» selbst von Disney-Historikerin Paula Sigman als ausgedehnte «Silly Symphony» bezeichnet wird. Diese Rückbesinnung auf die alten Stärken hat durchaus auch ihre Vorteile. Ganz so künstlerisch wertvoll ist «Dumbo» dadurch aber eben nicht.

Auch die Handlung ist ein wenig seltsam strukturiert. Die Besonderheit der Hauptfigur kommt gerade einmal in den letzten fünf Minuten voll zur Entfaltung. Dafür ist Dumbo sicherlich einer der traurigsten Helden aus einem Disney-Film und muss vor der Entdeckung seiner Fähigkeiten so manche Träne vergiessen. Die letzten 15 Minuten entschädigen aber vollauf für die zuvor etwas gemächliche Erzählung. Stilistisch sind zwar schon bis zu diesem Zeitpunkt Einflüsse des Deutschen Expressionismus und anderen Kunstrichtungen erkennbar, aber erst die an die Werke von Salvador Dalí und Heinrich Kley erinnernde surrealistische Parade der rosa Elefanten zeigt wirklich die Möglichkeiten der Animation auf. Anschliessend sorgen noch die von Ward Kimball animierten Krähen für eine ebenso geniale humoristische und musikalische Einlage.

«Dumbo»

«Dumbo» enthält also zweifellos zahlreiche Elemente, die dem Film einen Platz im Olymp der Animationsfilme sichert. Darauf weisen auch die Experten in der 28-minütigen Dokumentation «Taking Flight: The Making of ‹Dumbo›» mit aller Deutlichkeit hin. Sie verkaufen die notwendigen Einschränkungen bei der Produktion als künstlerische Auszeichnung und haben damit vermutlich nicht einmal ganz unrecht. Ich sehe mir trotzdem lieber die verblüffend gezeichneten «Sleeping Beauty» und «Pinocchio» als «Dumbo» an. Immerhin erstrahlt «Dumbo» auf Blu-ray-Disc in satten Farben und erklingt in glasklarer Tonqualität. Alle Kanäle der Tonspur in DTS-HD 7.1 werden zwar nur selten eingesetzt, das ist für einen Film von 1941 aber auch gar nicht notwendig.

Der Enthusiasmus der Disney-Experten ist ein wenig übertrieben, negativ fällt aber eher die zu dominant eingesetzte Hintergrundmusik auf. Während diese Füllmusik in der Dokumentation «Taking Flight» lediglich ein wenig störend ist, wirkt sie im 3-minütigen Beitrag «Magic of Dumbo» über das Karussell in Disneyland regelrecht lästig. Vorzüglich ist dafür der nur auf der Blu-ray-Disc vollumfänglich vorhandene Cine-Explore-Kommentar, auf dem Regisseur Pete Docter («Up», «Monsters, Inc.»), Paula Sigman und Zeichner Andreas Deja («The Princess and the Frog», «Enchanted») mit ihrem enormen Fachwissen durch den Film führen und gleichzeitig Beiträge von an der Produktion beteiligten Künstlern eingespielt und teilweise auch gezeigt werden.

Neues Bonusmaterial sind auch zwei nicht realisierte Szenen mit Erklärungen von Disney-Produzent Don Hahn sowie zwei Familienspiele. Das Wissensspiel «What Do You Know?» habe ich ausprobiert und bin zuerst auf 2925 und danach auf 3130 Punkte gekommen. Einige Fragen sind kinderleicht, andere erfordern hingegen schon ein wenig Hintergrundwissen. Wer weiss schon, dass Phineas Taylor Barnum 1810 geboren wurde oder Elefanten in freier Wildbahn durchschnittlich 55 Jahre alt werden? Zusätzlich sind auch die beiden Kurzfilme «Elmer Elephant» und «The Flying Mouse» und weiteres Bonusmaterial von der letzten DVD-Ausgabe vorhanden. Wie «Snow White and the Seven Dwarfs» und «Pinocchio» lässt sich auch «Dumbo» mit dem Modus «Disney View» abspielen, bei dem die schwarzen Balken bei 16:9-Fernsehern durch Zeichnungen aufgefüllt werden.

Bewertung: 4 Sterne
Bild-/Tonqualität (Blu-ray): 6 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
5 Sterne

(Bilder: © Walt Disney Studios Home Entertainment)

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