In meiner Festivalplanung für dieses Jahr habe ich das Filmfestival Locarno in der Prioritätenliste ein wenig zurückgestuft und wollte es eigentlich ganz auslassen. Einerseits gefallen mir die vom künstlerischen Direktor Frédéric Maire ausgewählten Elendsfilme nicht besonders. Einerseits muss ich für die Kosten dieses Jahr vollständig selbst aufkommen. Ausserdem bin ich eben erst umgezogen und musste erst noch meine alte Wohnung loswerden. Das ist nun geschehen. So habe ich doch noch drei Übernachtungen im Tessin gebucht. Hier die aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte des Programms in diesem Jahr. Zudem werde ich in den nächsten 10 Tagen die besten Beiträge aus den letzten drei Jahren retrospektieren.
Auf den Internationalen Wettbewerb werde ich fast ganz verzichten. «Wakaranai» von Masahiro Kobayashi, der 2007 für «Ai no yokan» mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde, möchte ich allerdings nicht verpassen. Auch den Schweizer Beitrag «Complices» von Frédéric Mermoud reizt mich. Einen weiten Bogen werde ich dafür um den Film machen, in dem gezeigt wird, wie «eine Mutter und ihr behinderter Sohn Tag für Tag mit ihrer Verzweiflung fertig werden müssen.» Zwei Filme sollten sowieso einen ausreichenden Eindruck vom Internationalen Wettbewerb vermitteln.
Für gewöhnlich entspricht das Programm der Piazza Grande am stärksten meinem Geschmack. Dieses Jahr freue ich mich vor allem auf die europäische Premiere von «(500) Days of Summer» von Marc Webb, eine Liebeskomödie mit Zooey Deschanel («Yes Man») und Joseph Gordon-Levitt. Unheimlich kitschig rührselig sieht jedoch das Familiendrama «My Sister’s Keeper» von Nick Cassavetes aus. Da lockt mich selbst Cameron Diaz nicht ins Kino. Dafür bin ich auf den Ensemblefilm «Giulias Verschwinden» von Christoph Schaub gespannt, auch wenn sich die Inhaltsangabe («eine etwas melancholische Komödie, die vom Älterwerden und der Jugend handelt») ein wenig stark nach «Pane e tulipani» anhört. Das Originaldrehbuch stammt von Schriftsteller Martin Suter. Auf der Piazza Grande findet auch die Weltpremiere von «Same Same But Different» von Detlev Buck statt.
Sticht aus dem Wettbewerb «Cineasti del presente» ein Film heraus? Der Schweizer Dokumentarfilmer Richard Dindo präsentiert «The Marsdreamers», das Porträt einiger Utopisten, die von der Notwendigkeit überzeugt sind, den Planeten Mars zu erobern. Auch sonst sieht es danach aus, als ob sich in diesem Wettbewerb die spannenderen Filme finden lassen als im Internationalen Wettbewerb. Ausserdem gibt es auch noch die aus verschiedenen Reihen bestehende Sektion «Ici et Ailleurs». Nach Möglichkeit werde ich mir auch noch eine Programm der Schweizer Kurzfilme im Wettbewerb «Pardi di domani» ansehen.
Ein Schwerpunkt meines Aufenthalts möchte ich aber dem Programm «Manga Impact» widmen. In einer reichhaltigen Retrospektive werden rund 30 lange Filme präsentiert, die exemplarisch für die verschiedenen Facetten und die unterschiedlichen Strömungen des japanischen Animationsfilms stehen. Einige davon habe ich zwar bereits gesehen, aber vielleicht kann mir jemand eine Empfehlung abgeben, welche der folgenden Titel aus der unvollständigen Liste ich unbedingt gesehen haben muss:
«Hakujaden» («The Legend of the White Snake»)
«The Sky Crawlers»
«Jin Roh»
«Patlabor 2»
«Ghost in the Shell»
«Cyborg 009 gekijo ban: cho ginga densetsu»
«Ginga tetsudo 999» («Galaxy Express 999»)
«Waga Seishun No Arcadia» («Space Pirate Captain Harlock: Arcadia of My Youth»)
«Janguru taitei» («Kimba, der weisse Löwe», vom dem «The Lion King» von Disney eine Kopie sein soll)
«Cleopatra: Queen of Sex»
«Senya ichiya monogatari» («One Thousand and One Nights»)
«Nagagutsu wo haita neko» («Puss in Boots»)
«Akira»
«Metropolis»
«Tekkonkinkreet»
«Spirited Away»
«Kaze no tani no naushika» («Nausicaä of the Valley of the Wind»)
«Perfect Blue»
«Kanashimi no belladonna» («Belladonna of Sadness»)
«5 Centimeters per Second»
«The Book of the Dead»
«Hadashi no gen» («Barefoot Gen»)
Ich sollte mich mehr mit den Programmen der Filmfeste informieren. Locarno wäre nach Bologna das zweite Festival zu dem ich dann gefahren wäre, wenn ich es früher auf dem Plan gehabt hätte. Die Anime-Reihe wäre eine Reise wert.
Von den genannten Filmen kenne ich leider nur acht.
Jin Roh
Ghost in the Shell
Akira
Metropolis
Tekkonkinkreet
Chihiro
Nausicaä
Perfect Blue
Bis auf “Metropolis” kann ich alle wärmstens empfehlen. Bei “Metropolis” passte meiner Meinung nach die Mischung aus altem Character design und modernem CG-Hintergrund nicht so recht.
Die endgültige Filmauswahl muss ich dann sowieso dem Programm anpassen. Mal sehen, was dann in den Zeitplan passt. Irgendwie möchte ich vor allem «Cleopatra: Queen of Sex» sehen…