«Le grand soir» von G. de Kervern & B. Delépine

Ils vont pas du tout.

Niemand ist zu alt, ein Punk zu sein. Das sagt sich zumindest die Hauptfigur aus der Gesellschaftskomödie «Le grand soir». Nach dem beruflichen Scheitern seines Bruders zieht der alte Punk Not mit Verstärkung in den Kampf gegen die abgestumpfte Konsumgesellschaft.

Not (Benoît Poelvoorde) ist trotz oder vielleicht auch gerade wegen bald 50 Jahren Lebenserfahrung immer noch Punk aus Überzeugung. Ein wenig Bier oder Achselschweiss und schon steht die Irokesenfrisur. Auf wenig Verständnis stösst Not bei seinem Bruder Jean-Pierre (Albert Dupontel), einem Verkäufer von Matratzen. Doch als dieser den Druck bei der Arbeit nicht mehr aushält, steht er auch bald auf der Strasse. Kurzerhand auf Dead umgetauft, machen die beiden orientierungslosen Brüder ab sofort gemeinsam die öde Vorortsgegend mit tausend Einkaufszentren unsicher und planen die Revolution.

Auf dem Filmplakat von «Le grand soir» sind die beiden Hauptfiguren mit einem Pferd und in Westernkostümen in einem Einkaufsladen zu sehen. Ganz so wild und verkleidet geht es in der stillen Komödie allerdings nicht zu und her. Not und Dead verunsichern zwar immer wieder die Kundschaft und die Angestellten der Konsumtempel, dies jedoch mehr wegen ihrer rüden Bettelei als wegen einfallsreicher Einlagen. Ganz allgemein ist der Humor in «Le grand soir» zwar durchaus ziemlich schräg und ungewohnt, aber doch eher zurückhaltend eingestreut und manchmal beinahe so träge wie die beiden Hauptfiguren. Die irren mehrheitlich ziemlich ziellos durch die Gegend. Den direkten Weg zur Freiheit finden sie nur ganz kurz, dann verlieren sie sich bald wieder im unübersichtlichen Angebot des Einkaufsparadieses.

Die Regisseure und Drehbuchautoren Gustave de Kervern und Benoît Delépine verstehen in «Le grand soir» durchaus die subtile Vermittlung von gesellschaftskritischen Botschaften und sorgen zwischendurch auch für diebisches Schmunzeln. Beispielsweise wenn sich der Vater der Brüder und der Sicherheitsbeamte der Einkaufsmeile mit stark eingeschränkten Vokabular über die Unzulässigkeit des Verhaltens der beiden Punks unterhalten oder wenn Not und Dead einen Mann davon abhalten, sich in der Scheune zu erhängen. Doch trotz einer Laufzeit von gerade einmal etwas mehr als 90 Minuten folgen sich auch immer wieder langatmige Szenen, in denen die Hauptfiguren einfach durch das Bild gehen.

Durch die leicht zähflüssige Inszenierung fühlt es sich so an, als ob die beiden Filmemacher nicht nur ihre beiden ein wenig an Don Quijote erinnernden Helden auf einen aussichtslosen Kampf gegen die Windmühlen des Kommerzialismus schicken, sondern durch ihre widerborstige Inszenierung auch gleich selbst die Erwartungshaltung an eine kommerzielle Komödie unterlaufen wollen. Zumindest bei ihren Kollegen sind sie mit dieser Taktik auf Zuspruch gestossen: 2012 wurde «Le grand soir» in Cannes in der Sektion «Un Certain Regard» mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

Fazit: «Le grand soir» ist ein amüsantes, aber auch ein wenig schwerfälliges Porträt zweier sich gegen das System aufbäumenden Männer.

Bewertung: 4 Sterne

(Bilder: © Mont-Blanc Distribution)

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