«Gran Torino» von und mit Clint Eastwood

Clint Eastwood in «Gran Torino»

Der Kerl ist einfach eine Wucht. Nächstes Jahr wird Clint Eastwood zwar schon 80 Jahre alt, doch davon lässt er sich ganz bestimmt nicht bremsen. Im Gegenteil. Obschon dieses Jahrzehnt noch nicht vorbei ist, lässt es sich bereits als «The Decade of Clint» bezeichnen. Acht Filme hat er bisher in den 00er-Jahren angefertigt, die für 23 Oscars nominiert waren und 7 davon erhielten. Persönlich war Eastwood in dieser Zeit insgesamt sieben Mal für einen Oscar nominiert, zwei wurden ihm auch überreicht.

Dieses Jahr steht dann auch noch die stark Oscar-verdächtige Nelson-Mandela-Biografie «The Human Factor» an. Zunächst lässt sich Clint aber – vielleicht ein letztes Mal! – auch als Schauspieler bewundern. Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann ist «Gran Torino» eine würdige Abschiedsvorstellung. Da trifft es es sich auch gerade richtig, dass dieses herzhafte Drama für Eastwood das höchste Einspielergebnis in seiner Karriere als Regisseur, Produzent und Schauspieler einbrachte.

Eastwood spielt den Korea-Veteranen Walt Kowalski, der gleich zu Beginn des Films seine Frau beerdigen muss. Der junge Priester Janovich (Christopher Carley) schwafelt derweil irgendwas von der Beerdigung als süss-sauerer Moment. Sauer wegen dem Schmerz, süss wegen der Erlösung. Blablabla. Da kann Walt nur die Augen verdrehen und leise grummeln. Was hat der Pfaffe schon für eine Ahnung. Doch den Gottesmann kann er irgendwie den Rest des Films nicht loswerden.

Nach der Trauerfeier wird Walt von seiner Familie wieder allein gelassen, im alten Viertel, wo schon längst keine Weissen mehr wohnen. Besonders ärgern ihn die Sumpfratten im Nachbarhaus, Einwanderer aus Asien, die nicht einmal ihren Rasen pflegen. Der wertvollste Besitz von Walt ist ihm sein 1972er Gran Torino in tadellosem Zustand. Ein waschechtes, verlässliches amerikanisches Produkt. Nicht so wie die Reisschüssel seines Sohnes.

AUsgerechnet der Diebstahl von diesem Gran Torino soll dem Nachbarjungen Thao (Bee Vang) als Einstieg in die Gang seines Cousins dienen. Doch der Versuch scheitert kläglich. Zumindest entkommt Thao unerkannt. Einige Tage später tauchen die jugendlichen Delinquenten wieder beim Haus der asiatischen Nachbarn auf. Walt duldet die Störung seines Alltags nicht und verscheucht die Eindringlinge. Das führt dazu, dass Thao sich beim Witwer als Hilfskraft anbietet, weil Walt ihm das Leben gerettet hat.

Ahney Her und Clint Eastwood in «Gran Torino»Dafür hat Walt jedoch überhaupt keine Verwendung, besonders seit er erfahren hat, das Thao sein Auto stehlen wollte. Da sich aber Thao, den er abschätzig nur Toad (Kröte) nennt, nicht abweisen lässt, soll er das hässliche Haus des Nachbarn renovieren. Das benötigt einen neuen Farbanstrich und die Befestigung der Dachrinne. Langsam gewinnt Walt Respekt für den schüchternen Jugendlichen. Zudem versucht dessen Schwester Sue (Ahney Her) erfolgreich den alten Nachbarn aus seiner Isolation zu locken.

Nie habe er verstanden, weshalb das Dschungelvolk sich ausgerechnet im sechs Monate vereisten Mittelteil der USA angesiedelt habe, vertraut sich der manchmal schmerzhaft ehrliche Walt der klugen Sue an. Die Hmong seien eben nicht Dschungel-, sondern ein Bergvolk, klärt sie ihn auf. Zudem bezeichnet der Name nicht eine Region, sondern eben ein Volk. Dieses war während dem Vietnamkrieg mit den USA verbündet und musste deshalb nach der Niederlage der USA flüchten. So beginnt für Walt langsam eine Reise zur Aufklärung und Völkerverständigung.

«Gran Torino» ist also eine Annäherung zweier Kulturen, ein Leitfaden für die Integration von Einwanderern. Moralisierend ist «Gran Torino» jedoch keine Minute, sondern vielmehr fast schon unheimlich unterhaltsam. Falls nämlich die Stimmung zwischendurch einmal zu versöhnlich ausfallen sollte, stehen immer noch die Besuche beim Haarschneider Martin (John Carroll Lynch) an.

Die beiden verbindet scheinbar eine langjährige Freundschaft, die sich auf höchst eigenartige Art äussert: Walt und Martin beschimpfen sich jeweils aufs Übelste. Entsetzt erkundigt sich Walt, ob Martin ein halber Jude sei, weil der Haarschnitt unverschämte 10 Dollar kostet. Das sei schon die letzten fünf Jahre so, «you hard-nosed Polack son of a bitch,» gibt ihm Martin zurück. Da stellt sich heraus, dass nicht jedes Schimpfwort von Walt auch wirklich als Beleidigung gemeint ist.

Clint Eastwood in «Gran Torino»Ein köstliche Szene ist auch der Besuch des ältesten Sohnes und dessen Gattin am Geburtstag von Walt. Neben einer Torte haben sie als Geschenk auch noch so nützliche Geschenke wie einen Greifstab oder ein Telefon mit grossen Tasten mitgebracht und schwärmen von einigen Altersresidenzen, von denen sie die Prospekte vor den immer kleiner werdenden Augen von Walt ausgebreitet haben. «Gran Torino» ist eine wunderbar erzählte Abfolge von solch sorgfältig beobachteten Momenten.

Wie einfühlsam Eastwood Geschichten erzählen kann, hat er spätestens 1973 mit «Breezy» unter Beweis gestellt. Hier geht es zwar bedeutend rauher zu und her. Das liegt nicht zuletzt an der von ihm gespielten Figur, die nicht von ungefähr, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt an «Dirty Harry» erinnert. Wen Walt die Worte ausgehen, was immer wieder einmal vorkommt, dann äussert er sich mit Knurrlauten. Manchmal bellt er sogar beinahe. Doch den unfehlbaren Blick für die leisen Zwischentöne findet Eastwood dennoch immer wieder.

Fazit: «Gran Torino» ist fabelhaftes Erzählkino und eine vielschichtige Charakterstudie mit viel Witz und Herz.

Bewertung: 6 Sterne

(Fotos: © 2009 Warner Bros. Pictures. All Rights Reserved)

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